Europarechts-News März 2021
(1) EU-Kartellrecht: Kommission verhängt Geldbußen von 7,8 Mio. € in der Videospielbranche wegen Verstoßes gegen das Geoblocking-Verbot
Die Europäische Kommission hat Geldbußen in Höhe von 7,8 Mio. € gegen Valve, Betreiberin der Online-PC-Spielplattform „Steam“, und fünf Verleger von Videospielen (Bandai Namco, Capcom, Focus Home, Koch Media und ZeniMax) verhängt. Sie wirft den Unternehmen vor, dass der grenzüberschreitende Verkauf von Spielen über einen gewissen Zeitraum unter Verstoß gegen das EU-Kartellrecht vertraglich beschränkt worden sei. Konkret hätten Valve und die benannten Verlage mit bilateralen Vereinbarungen zum Geoblocking bestimmter Videospiele den EWR-Markt in rechtswidriger Weise abgeschottet.
Zum einen sei durch geoblockierte Steam-Aktivierungsschlüssel die Aktivierung bestimmter Videospiele in verschiedenen EU-/EWR-Mitgliedstaaten verhindert worden. Zum anderen hätten vier der fünf Verlage (Bandai, Focus Home, Koch Media und ZeniMax) mit bilateralen Lizenz- und Vertriebsvereinbarungen mit einigen Anbietern ihrer Videospiele im EWR – ausgenommen Valve – den grenzüberschreitenden Verkauf innerhalb des EWR beschränkt. Mit solchen Vorgehensweisen seien Verbraucher daran gehindert worden, in einzelnen EWR-Mitgliedstaaten gekaufte Videospiele auf physischen Medien auch in anderen EWR-Ländern zu spielen. Aktivierungscodes hätten nur innerhalb bestimmter Landesgrenzen freigeschaltet werden können, so dass ein Verstoß gegen das Geoblocking-Verbot vorläge. Die Geoblocking-Praktiken sollen rund 100 Videospiele betroffen haben. Bekannt wurde, dass sich zumindest Valve gegen die Entscheidung der Kommission aus verschiedenen Gründen zur Wehr setzen möchte. Unter anderem waren bei den Verlagen die Geldbußen um 10 bis 15 % ermäßigt worden, nicht aber bei Valve. Valve widerspricht dem Vorwurf, anders als die Verlage nicht mit der Kommission zusammengearbeitet zu haben. Möglicherweise wird in einem Gerichtsverfahren über das Ausmaß einer Kooperation mit den Behörden zu befinden sein, ferner über eine Haftung von Plattformanbietern, wenn über deren Plattformen Geoblocking betrieben wird.
(2) Urteil des EuGH vom 03.02.2021 (C-555/19) zum Verbot regionaler Werbung in deutschlandweiten Fernsehprogrammen
Es kommt nicht häufig vor, dass der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts nicht (umfassend) folgt. In seinem Urteil vom 03.02.2021 in Sachen Fussl Modestraße Mayr ./. SevenOne Media GmbH u. a. akzentuierte der EuGH nunmehr stärker als der Generalanwalt, dass das in Deutschland im Medienstaatsvertrag niedergelegte Verbot, im Rahmen bundesweit ausgestrahlter deutscher Fernsehprogramme Werbung nur regional zu zeigen, gegen das EU-Recht verstoßen kann. So kommt ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit in Betracht. Hier sei zu prüfen, ob das Verbot überhaupt geeignet und erforderlich sei. Dies entspricht auch dem Ansatz des Generalanwalts. Anders als dieser sah der EuGH jedoch auch noch die Möglichkeit, dass eine rechtswidrige Ungleichbehandlung von Fernsehveranstaltern und Anbietern von Werbung im Internet vorliegen könnte. Eine solche Vergleichbarkeit hatte der Generalanwalt dagegen noch abgelehnt und als sinnlos angesehen. Das LG Stuttgart ist nunmehr zur weiteren Entscheidungsfindung unter Beachtung der Hinweise des EuGH verpflichtet.
(3) Urteil des EuGH vom 20.01.2021 (C-619/19) zum Zugang zu Umweltinformationen hinsichtlich „Stuttgart 21“
Auch in einem weiteren Verfahren mit Stuttgarter Bezug hat der EuGH jüngst sein Urteil gesprochen. Es geht hierbei um Informationsherausgabeansprüche in Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz im Jahre 2010 anlässlich Baumfällarbeiten für Stuttgart 21. Ein Antragsteller hatte beim Staatsministerium Baden-Württemberg den Antrag auf Zugang zu verschiedenen Unterlagen begehrt und sich letztlich auf die europäische Umweltrichtlinie berufen.
Eine Ausnahme vom umweltrechtlichen Auskunftsanspruch ist aufgrund EU-Richtlinienrechts und des nationalen Umsetzungsrechts dann vorgesehen, wenn bloße „interne Mitteilungen“ vorliegen. Als solche sieht der EuGH nunmehr alle Informationen an, „die innerhalb einer Behörde im Umlauf sind und die zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Zugang, gegebenenfalls nachdem sie bei dieser Behörde eingegangen sind und soweit sie der Öffentlichkeit vor diesem Eingang nicht zugänglich gemacht worden sind oder hätten zugänglich gemacht werden müssen, den Binnenbereich dieser Behörde nicht verlassen haben“.
Der EuGH ist der Auffassung, dass die Anwendbarkeit der Ausnahme vom Recht auf Zu-gang zu Umweltinformationen, die für solche internen Mitteilungen vorgesehen sind, zeitlich nicht begrenzt ist. Allerdings könne sie nur in dem Zeitraum angewandt werden, in dem der Schutz der angeforderten Informationen gerechtfertigt sei. Dies sei in eine Interessensabwägung mit einzubeziehen. Nunmehr ist wieder die nationale Gerichtsbarkeit am Zuge, um den Fall abzuschließen.
(4) Beschluss des BGH vom 11.02.2021, Az. I ZR 241/19 hinsichtlich der Pflicht von Internethändlern, über Herstellergarantien zu informieren
Ausgangspunkt dieses in den Vorinstanzen vom LG Bochum und OLG Hamm entschiedenen Falles ist der Vertrieb von Taschenmessern über die Internetplattform Amazon. Konkret stellt sich insbesondere die Frage, inwieweit in diesem Zusammenhang nebst einem Hinweis auf eine bestehende Garantie des Herstellers auch noch auf gesetzliche Rechte der Verbraucher hingewiesen werden muss. Während das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, ist das OLG zu einer entsprechenden Verurteilung des beklagten Händlers gekommen. Die einschlägigen deutschen Vorschriften, insbesondere § 312d BGB (hinsichtlich Fernabsatzverträgen), § 479 BGB (zu Garantieerklärungen) und Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB (mit der Präzisierung, welche Informationen Verbrauchern zur Verfügung gestellt werden müssen) setzen EU-Richtlinienrecht um. Der BGH hat sich daher dazu entschlossen, dem EuGH entsprechende Auslegungsfragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der EuGH wird sich somit zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 lit. m) der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU äußern müssen. Für Internethändler kann eine solche Entscheidung von weitreichender Bedeutung sein.
(5) Beschluss des OLG Frankfurt a. M. vom 11.02.2021, Az. 26 SchH 2/20, zu einer unwirksamen Schiedsklausel bei unionsinternen Investitionsstreitigkeiten
Unter Hinweis auf die Achmea-Rechtsprechung des EuGH hat das OLG Frankfurt in einem Beschluss vom 11.02.2021 ein auf Antrag einer österreichischen und einer kroatischen Bank gegen die Republik Kroatien eingeleitetes Schiedsverfahren für unzulässig erklärt. Die Grundlage für dieses Schiedsverfahren fand sich in einem bilateralen völkerrechtlichen Investitionsschutzübereinkommen (sog. Bilateral Investment Treaty, BIT). Das OLG sah eine Beeinträchtigung der Autonomie des EU-Rechts, wenn von einer Schiedsgerichtsentscheidung in einer Investitionsstreitigkeit zwischen EU-Mitgliedstaaten EU-Recht betroffen sein kann. Der EuGH hatte bereits am 06.03.2018 (C - 284/16) in Sachen Achmea eine entsprechende Grundsatzentscheidung gefällt. Auf ein Handelsschiedsverfahren, das dagegen auf Privatautonomie beruht, sind diese Überlegungen aber nicht ohne weiteres übertragbar.
(6) Europäischer Rat verabschiedet Maßnahmenbündel für die Erholung der Kapitalmärkte (Änderungen der MiFID II, Prospektverordnung)
Der Europäische Rat hat am 15.02.2021 Änderungen an der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II) und an der Prospektverordnung vorgenommen, die zeitnah im Amtsblatt verkündet werden sollen. Bei der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten sodann neun Monate Zeit für eine Umsetzung ins nationale Recht; die Verordnung wird ohne weitere Umsetzung am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung in den Mitgliedstaaten verbindlich sein. Ziel der Maßnahmen ist es, den Unternehmen nach der COVID 19-Pandemie eine Rekapitalisierung auf den Finanzmärkten zu erleichtern. Mit den gebilligten Änderungen der MiFID-II-Vorschriften sollen einerseits Informationspflichten vereinfacht, andererseits aber auch der Anlegerschutz gewahrt werden. Unter anderem ist vorgesehen, dass beispielsweise professionellen Anlegern weniger Informationen über Kosten und Gebühren zur Verfügung gestellt werden müssen. Zudem sollen Anlegerinformationen in Papierform schrittweise abgeschafft werden. Kleinanleger, soweit sie dies wünschen, sind jedoch davon ausgenommen. Vorgesehen ist darüber hinaus in der Prospektverordnung die Einführung eines „EU-Wiederaufbauprospekts“, eine Art Kurzprospekt für vereinfachte und kostengünstigere Kapitalaufnahmen. Damit sollen Emittenten bis Ende 2022 Kapitalerhöhungen von bis zu 150 % der zugelassenen Aktien ermöglicht werden. Der Prospekt darf, ohne Zusammenfassung, 30 DIN-A4-Seiten nicht überschreiten und soll verkürzte Informationen enthalten.
(7) Corona-Beihilfen für Unternehmen der Messe- und Kongressbranche
Für Unternehmen der Messe- und Kongressbranche, die aufgrund der Corona-Pandemie Schäden erlitten haben, können Entschädigungen bezahlt werden. Die Europäische Kommission hat zu diesem Zweck eine Beihilferegelung des Bundes in Höhe von 642 Mio. € nach dem EU-Beihilferecht genehmigt. Eine Förderfähigkeit ist dann gegeben, wenn die einschlägigen Unternehmen im Zeitraum zwischen dem 01.03.2020 und dem 31.12.2020 einen Gewinnausfall erlitten haben und dieser mit den in diesem Zeitraum relevanten Maßnahmen der Länder zur Eindämmung der Ausbreitung der Viruspandemie zusammenhängt.
(8) COVID 19-Pandemie: Impfstoff-Vertrag zwischen der Europäischen Kommission und Sanofi – GSK veröffentlicht
Veröffentlicht wurde im Februar 2021 der Impfstoff-Vertrag („Advance Purchase Agreement“) zwischen der Europäischen Kommission und Sanofi – GSK vom September 2020. Er ist im Internet einsehbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/apa_with_sanofi_gsk.pdf. Sensible Passagen sind allerdings geschwärzt.
(9) Telekommunikationsrecht: Vertragsverletzungsverfahren gegen 24 Mitgliedstaaten
Die Kommission hat am 4. Februar 2021 gegen Deutschland und 23 weitere EU-Mitgliedstaaten ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Die Kommission macht geltend, dass die Staaten die neuen Vorschriften des Europäischen Kodex für elektronische Kommunikation (Richtlinie EU 2018/1972) nicht fristgerecht umgesetzt haben. Mit diesem Kodex soll eine Modernisierung des Rechtsrahmens im Bereich der Telekommunikationsvorschriften erfolgen. Es sollen ein hoher Standard für Kommunikationsdienste, insb. auch im 5G-Netz-Bereich, erreicht und Verbraucherrechte gestärkt werden sowie die Bedürfnisse bestimmter gesellschaftlicher Gruppen wie behinderter oder älterer Menschen berücksichtigt werden. Vor allem ist die Ermöglichung eines wirksamen Wettbewerbs im Fokus der Neuregelungen.
Hierzu hat die Kommission im Dezember 2020 noch ergänzende Rechtsvorschriften verabschiedet wie z. B. eine neue delegierte Verordnung, in der unionsweit einheitliche maximale Anrufzustellungsentgelte festgelegt werden.
(10) BREXIT und EU-Datenschutzrecht: Datenfluss in das Vereinigte Königreich
Die EU-Kommission hat am 21.02.2021 im Hinblick auf die Übermittlung von personenbezogenen Daten in das Vereinigte Königreich (UK) das Verfahren zur Annahme von Angemessenheitsbeschlüssen eingeleitet. Sie hat zu diesem Zweck das Recht und die Praxis des Schutzes personenbezogener Daten im UK nach eigenen Angaben gründlich geprüft, einschließlich des Datenzugriffs durch Behörden. Sie kam hierbei zu dem Ergebnis, dass das im UK bestehende Schutzniveau demjenigen der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Wesentlichen gleichwertig ist. Nunmehr hat der Europäische Datenschutzausschuss Gelegenheit zu einer Stellungnahme. Auch eine Zustimmung der Vertreter der EU-Mitgliedstaaten steht noch aus, bevor die Angemessenheitsbeschlüsse angenommen werden können. Nach vier Jahren soll das Datenschutzniveau im UK erneut geprüft werden. Mit dem Ablauf der BREXIT-Übergangszeit am 31.12.2020 ist das UK grundsätzlich zu einem Drittstaat im Sinne der DSGVO geworden. Allerdings läuft gegenwärtig noch bis zum 30.06.2021 eine spezielle datenschutzrechtliche Übergangsphase, die im Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem UK im Dezember 2020 vereinbart worden war. Abzuwarten bleibt jedoch, sollte dieser Weg wie skizziert beschritten werden, wie letztlich eine gerichtliche Kontrolle ausfallen wird. Immerhin hatte der EuGH erst am 16.07.2020 in der sogenannten Schrems II-Entscheidung (Az. C-311/18) den von der Europäischen Kommission gefundenen Privacy Shield-Regelungsmechanismus mit den Vereinigten Staaten für unzureichend erklärt. Maßgeblicher Prüfungspunkt könnten Zugriffsrechte von (Sicherheits-)Behörden auf Daten sein.
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Europarechts-News Dezember 2020
(1) Urteil des EuGH vom 24.11.2020 zur internationalen Zuständigkeit im Sinne der EuGVVO bei Vorwurf eines kartellrechtswidrigen Verhaltens (Wikinger Hof)
Ausgangspunkt dieses bemerkenswerten EuGH-Urteils ist der Vorwurf des deutschen Hotels „Wikingerhof“ gegenüber der niederländischen Buchungsplattform „Booking.com“, eine marktbeherrschende Stellung zu missbrauchen. Das Hotel hatte in diesem Zusammenhang Booking.com vor der deutschen Gerichtsbarkeit verklagt und machte kartellrechtliche
Unterlassungsansprüche geltend. Booking.com hielt dem eine internationale und örtliche Unzuständigkeit entgegen und stützte sich u. a. darauf, dass ihr Verhalten durch vertraglich eingegangene Regelungen gedeckt sei.
Das LG Kiel (Az. 14 HKO 108/15 Kart) sah sich als international unzuständig an, weil die Klage aufgrund einer getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung in Holland zu erheben sei. Das OLG Schleswig in zweiter Instanz (Az. 16 U 10/17 Kart) ließ die Frage einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung dahingestellt. Es sah ebenfalls keinen Anknüpfungspunkt für einen deutschen Gerichtsstand und ging davon aus, dass mit der Klage Ansprüche geltend gemacht werden, die einen Vertrag zum Gegenstand haben. Diese Ansprüche seien aber nicht in Deutschland zu erfüllen (Art. 7 Nr. 1 EuGVVO). Der BGH in dritter Instanz hielt es dagegen für erforderlich, im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens den EuGH anzurufen um klären zu lassen, ob sich ein Kläger in einem solchen Fall auf den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung im Sinne des Art. 7 Nr. 2 (EuGVVO) berufen kann (Az. C-59/19). Dann wäre, was allerdings abschließend wiederum durch die nationale Gerichtsbarkeit festzustellen ist, im konkreten Fall die deutsche Gerichtsbarkeit zuständig.
Die Große Kammer des EuGH verwies nunmehr in seinem Urteil vom 24.11.2020 darauf, dass es für die Feststellung, ob die Booking.com vorgeworfenen Praktiken nach dem Wettbewerbsrecht rechtmäßig oder rechtswidrig sind, nicht unerlässlich sei, den Vertrag zwischen den Parteien des Ausgangsverfahren auszulegen. In der Folge entschied daher der EuGH, dass die für einen deliktischen Gerichtsstand maßgebliche Zuständigkeitsnorm des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO „für eine Klage gilt, die auf die Unterlassung bestimmter Verhaltensweisen im Rahmen einer Vertragsbeziehung zwischen dem Kläger und dem Beklagten gerichtet ist und die darauf gestützt wird, dass der Beklagte unter Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht seine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausnutze.“ Es ist daher davon auszugehen, dass das Klageverfahren in Deutschland seinen Fortgang nehmen wird.
(2) Ausschluss des Widerrufsrechts für Verbraucher für Waren nach Kundenspezifikation auch vor Arbeitsbeginn – EuGH, Urteil vom 21.10.2020, C-529/19
Werden Verbraucherverträge außerhalb von Geschäftsräumen bzw. im Fernabsatz geschlossen, sieht die Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU grundsätzlich ein Widerrufsrecht vor. Eine Ausnahme davon besteht nach Art. 16 lit. c) dieser Richtlinie etwa dann, wenn Waren geliefert werden, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind. In einem Rechtsstreit zwischen einer Verbraucherin und einer Herstellerin von Einbauküchen wandte sich das Amtsgericht Potsdam an den EuGH im Wege einer Vorlagefrage. Es wollte wissen, ob auch dann, wenn der Verkäufer noch nicht mit der Anfertigung nach Kundenspezifikation begonnen hat und die Anpassung beim Kunden selbst vorgenommen werden sollte das Widerrufsrecht dennoch ausgeschlossen ist. Es wollte ebenfalls wissen, ob – gemäß früherer deutscher Rechtsprechung – dabei von Bedeutung ist, wenn sich die Waren mit nur geringen Rückbaukosten, etwa 5 % des Warenwertes, wieder in den Zustand vor der Individualisierung zurückversetzen ließen. Der EuGH sah im Sinne der Rechtssicherheit auch unter solchen Umständen ein Widerrufsrecht nicht als gegeben an.
(3) Begründungsnotwendigkeit: Urteile des EuG vom 23.09.2020, Az. T-411/17, T-414/17 und T-420/17, LBBW, Hypo Vorarlberg AG und Portikon AG
Finanzinstitute müssen im Rahmen der Europäischen Bankenunion Beiträge zum Einheitlichen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, SRF) erbringen, die jährlich durch den Einheitlichen Abwicklungsausschuss (Single Resolution Board, SRB) festgesetzt werden. Die LBBW, die Hypo Vorarlberg Bank AG und die Portikon AG (ehemals WestLB AG) hielten die Berechnung des im Voraus erhobenen Beitrags für 2017 für nichtig und erhoben daher Klage zum Europäischen Gericht. Unter anderem führten sie einen Verstoß gegen die europarechtlich normierte Begründungspflicht an (Art. 296 Abs. 2 AEUV). Über diese Klagen hat nunmehr das erstinstanzliche Europäische Gericht in drei Urteilen am 23.09.2020 entschieden. Von den entsprechenden Beschlüssen des SRB waren die Finanzinstitute unmittelbar und individuell betroffen und konnten deshalb Klage erheben. Das Gericht bemängelte, dass die Institute anhand der ihnen gegebenen Begründung nicht in der Lage seien, die Höhe ihrer Beiträge zu überprüfen, obwohl es sich dabei um den entscheidenden Bestandteil des angefochtenen Beschlusses des SRB handele, soweit er sie betreffe. Die Begründung versetze diese Institute in eine Position, in der sie nicht wissen könnten, ob dieser Betrag korrekt berechnet wurde oder ob sie ihn vor dem Gericht anfechten sollten. Das Gericht sah eine inhärente Intransparenz bei der Berechnung der Beiträge.
(4) Europäisches Markenrecht: Urteil des EuG vom 09.09.2020, Az. T-144/19 „Adlon“
Ein Sanitärproduktehersteller wollte sich für Badarmaturen die Marke „Adlon“ beim EU-Markenamt schützen lassen. Dagegen wandten sich die Betreiber des Berliner Hotels Adlon am Brandenburger Tor, die den Namen „Adlon“ als EU-Marke bereits im Jahre 2005 für Hotel- und Restaurationsdienstleistungen schützen lassen haben. Wie bereits das EU-Markenamt, verweigerte auch das erstinstanzliche Europäische Gericht einen Anspruch des Sanitärhauses auf Eintragung einer solchen Marke. Würde die Marke durch das Sanitätshaus für Sanitärprodukte verwandt werden, bestünde die Gefahr, dass Verbraucher diese mit der älteren Marke „Adlon“ für die Beherbergung und Verpflegung von Gästen verbinden und das Sanitätshaus so ohne jede Gegenleistung vom Ruf und der Wertschätzung des Berliner Hotels profitieren könnte.
(5) Generalanwalt beim EuGH zum Verbot regionaler Werbung in deutschlandweiten Fernsehprogrammen
In seinen Schlussanträgen vom 15.10.2020 (Az. C-555/19) kam Generalanwalt beim EuGH Maciej Szpunar zu dem Ergebnis, dass das im deutschen Rundfunkstaatsvertrag enthaltene grundsätzliche Verbot, Fernsehwerbung im Rahmen bundesweit ausgestrahlter Programme regional auszustrahlen, nicht gegen EU-Recht verstößt. Insbesondere stehe dem weder die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (2010/13/EU) entgegen noch der Gleichbehandlungsgrundsatz oder die Freiheit der Meinungsäußerung aus der Charta der Grundrechte. Auch die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) stelle dann kein Hindernis dar, wenn es keine weniger restriktiven Maßnahmen gebe, um den Schutz der Meinungsvielfalt auf regionaler und lokaler Ebene zu erreichen. Abzuwarten bleibt, ob sich der EuGH dieser gut begründeten Einschätzung anschließen wird.
(6) Krypto-Assets: Kommissions-Entwurf für eine europäische MiCA-Verordnung
Die Europäische Kommission legte im September 2020 den mehr als 150-seitigen Entwurf einer europäischen Verordnung zur Regulierung von Krypto-Assets vor („Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on Markets in Cryptoassets“, kurz MiCA). Geschaffen werden soll damit eine weitreichende harmonisierte Regelung von Krypto-Assets auf europäischer Ebene. Bei Krypto-Assets handelt es sich um eine digitale Darstellung von Werten oder Rechten, die elektronisch übertragbar und speicherbar sind, wobei eine Distributed Ledger Technologie (d. h. Technologie mit dezentraler Datenerfassung wie z. B. Blockchain) oder ähnliche Technologie verwendet wird. In der Verordnung sollen EU-weit Erlaubnispflichten, der allgemeine Handel mit Krypto-Assets sowie Aufsichtsbefugnisse geregelt werden. Geplant ist, dass die MiCA-Verordnung Ende 2022 in Kraft tritt. Zu den Krypto-Assets gehören vor allem die auf Blockchain-Basis beruhenden Internet-Währungen „Bitcoin“ und „Ether“. Auch „Diem“ (vor Umbennung: „Libra“) als Projekt von facebook würde von der MiCA-Verordnung erfasst werden. Grundsätzlich würde dann künftig der groben Einteilung nach unterschieden werden zwischen den schon in Kraft befindlichen Regelungen in der MiFID-Richtlinie (Markets in Financial Instruments) und den neu hinzutretenden europäischen Regelungen zur MiCA-Verordnung (Markets in Crypto Assets). Obwohl es sich auch bei sogenannten Security Token – digitalisierte Form eines Vermögenswerts mit besonderem Sicherheitsstatus mittels einer Hardwarekomponente zur Identifizierung und Authentifizierung – auch um Krypto-Assets handelt, sollen entsprechende Security Token Offerings (STO) der MiFID zugeordnet bleiben. Da die MiCA in Form einer europäischen Verordnung erlassen werden soll, wird diese in allen EU-Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar sein.
(7) Deutschlands erster „Commercial Court“ in Stuttgart und Mannheim
Infolge des Brexit und einer damit verbundenen Intensivierung des europäischen Wettbewerbs der Gerichtsstandorte für internationale Großverfahren hat Baden-Württemberg im November 2020 einen neuen Commercial Court mit Dependancen in Stuttgart und Mannheim errichtet. Der Commercial Court ist formal dem Landgericht Stuttgart bzw. dem Landgericht Mannheim zugeordnet. Vor diesem können künftig wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten ab einem Streitwert von EUR 2.000.000 in englischer Sprache verhandelt werden. Urteile, Verfügungen und Protokolle müssen jedoch angesichts § 184 Gerichtsverfassungsgesetz nach wie vor in deutscher Sprache abgesetzt werden. Auch besondere Berufungsspruchkörper sind vorgesehen beim OLG Stuttgart bzw. beim OLG Karlsruhe. Zu weiteren Einzelheiten vgl. Haver & Mailänder-Beitrag der Rechtsanwälte Dr. Kläger und Dr. Brugger vom 17.11.2020: „Commercial Court in Stuttgart und Mannheim eröffnet“.
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Europarechts-News August 2020
(1) Europäisches Kartellrecht, Urteil des Europäischen Gerichts vom 08.07.2020 (T-758/14 RENV) - Infineon Technologies ./. Kommission
In seinem Urteil vom 08.07.2020 ordnete das erstinstanzliche Europäische Gericht die Herabsetzung einer gegen Infineon verhängten Geldbuße um fast 6 Mio. EUR an. Die Geldbuße von zunächst mehr als 82 Mio. EUR war gegen Infineon verhängt worden wegen Beteiligung an einem Kartell auf dem Markt für Smartcard-Chips. In einem ersten Urteil vom 15.12.2016 hatte das Europäische Gericht diese hohe Geldbuße zunächst bestätigt (T-758/14). Nachdem Infineon Rechtsmittel dagegen eingelegt hatte, stellte der EuGH fest, dass das Gericht nur fünf der elf vermeintlich kartellrechtswidrigen Kontakte geprüft hatte. Wegen unvollständiger gerichtlicher Kontrolle hob der EuGH das erstinstanzliche Urteil durch sein Urteil vom 26.09.2018 teilweise auf (C-99/17 P). Nunmehr stellte das erstinstanzliche Europäische Gericht in seinem neuen Urteil vom 08.07.2020 fest, dass die Kommission die individuelle Beteiligung von Infineon am kartellrechtlichen Verstoß nicht hinreichend berücksichtigt habe und ermäßigte das Bußgeld.
(2) Europäisches Beihilferecht: Durch die Kommission eingelegtes Rechtsmittel zum EuGH (C-211/20 P) gegen das Urteil des Europäischen Gerichts vom 12.03.2020 in Sachen Valencia Club de Fútbol ./. Europäische Kommission
Nachdem das erstinstanzliche Europäische Gericht den Beschluss der Europäischen Kommission über Beihilfemaßnahmen zugunsten des Fußballvereins Valencia CF in einem Urteil vom 12.03.2020 für nichtig erklärt hatte (T-723/16), hat nunmehr die Europäische Kommission am 22.05.2020 Rechtsmittel zum EuGH eingelegt (C-211/20 P). Die Kommission führt hierbei an, dass dem Gericht ein Rechtsfehler unterlaufen sei, indem es den Art 107 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union mit einem grundsätzlichen Beihilfeverbot unrichtig angewendet habe, insbesondere hinsichtlich des Nachweises des Vorliegens der Voraussetzung eines Vorteils. Konkret habe das Gericht erstens die Mitteilung der Kommission über die Anwendung der einschlägigen Artikel des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften in Verbindung mit der Mitteilung der Kommission über die Änderung der Methode zur Festsetzung der Referenz- und Abzinsungssätze sowie den streitigen Beschluss unrichtig ausgelegt. Zweitens sei dem Gericht ein Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Beweislast für das Bestehen eines Vorteils aus einer einzelnen Bürgschaft sowie mit der Sorgfaltspflicht der Kommission im Rahmen eines förmlichen Prüfverfahrens unterlaufen. Drittens habe das Gericht den Sachverhalt verfälscht.
(3) Glyphosat – Klagebefugnis einer föderalen Gebietskörperschaft: Schlussanträge des Generalanwalts in Sachen Région de Bruxelles-Capitale / Kommission (C-352/19 P)
Die Region Brüssel-Hauptstadt hatte Nichtigkeitsklage beim erstinstanzlichen Europäischen Gericht hinsichtlich der Durchführungsverordnung zur Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat erhoben. Das Gericht sah diese Klage wegen fehlender unmittelbarer Betroffenheit der Region und damit wegen fehlender Klagebefugnis als unzulässig an (T-178/18). Die Region legte dagegen Rechtsmittel beim EuGH ein. In seinen Schlussanträgen vom 16.07.2020 kommt Generalanwalt Michal Bobek nunmehr zu dem Ergebnis, dass das Gericht die Klagebefugnis der Region zu Unrecht abgelehnt hat (Beschluss vom 28.02.2019, T-178/18). Zwar dürften föderale Gebietskörperschaften Unionsrechtsakte, die ihre Interessen nur in allgemeiner Weise betreffen, nicht anfechten. Im Gegensatz könne aber dann vom Vorliegen einer unmittelbaren Betroffenheit als Voraussetzung einer Klagebefugnis ausgegangen werden, wenn eine unmittelbare Einschränkung der Ausübung einer verfassungsrechtlich zugewiesenen konkreten Befugnis vorliege. Abzuwarten bleibt, ob sich der EuGH dem erstinstanzlichen Gericht oder dem Generalanwalt anschließen wird – die Entscheidung ist auch für deutsche Bundesländer und ggf. auch weitere regionale Gebietskörperschaften von Interesse.
(4) Generalanwalt beim EuGH zum Zugang zu Umweltinformationen hinsichtlich „Stuttgart 21“
Am 16.07.2020 hat Generalanwalt Gerard Hogan dem EuGH seine Schlussanträge zum Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen im Zusammenhang mit dem Projekt "Stuttgart 21" vorgelegt (C-619/19). Der Kern der dem EuGH in diesem Verfahren unterbreiteten Vorabentscheidungsfragen des deutschen Bundesverwaltungsgerichts betrifft die Auslegung des Begriffs der "internen Mitteilungen" im Sinne von Art. 4 der europäischen Umweltinformationsrichtlinie (2003/4/EG). Wenn ein Antrag auf Erteilung von Informationen „interne Mitteilungen“ betrifft, können nationale Regelungen die Ablehnung eines Zugangs zu Umweltinformationen vorsehen. Allerdings ist hierbei das öffentliche Interesse an einer Bekanntgabe dieser Information zu berücksichtigen.
Konkret hatte ein Antragsteller beim Staatsministerium Baden-Württemberg einen Antrag auf Umweltinformationen gestellt, mit dem er Zugang zu bestimmten Unterlagen des Staatsministeriums begehrte, die im Zusammenhang mit dem Fällen von Bäumen im Stuttgarter Schlossgarten für das Projekt „Stuttgart 21“ standen. Diese Dokumente betrafen zum einen Informationen der Hausspitze des Staatsministeriums über den Untersuchungsausschuss „Aufarbeitung des Polizeieinsatzes am 30.09.2010 im Stuttgarter Schlossgarten“ und zum anderen Vermerke des Staatsministeriums zu einem im Zusammenhang mit dem Projekt „Stuttgart 21“ durchgeführten Schlichtungsverfahren vom 10. und 23.11.2010.
Anders als das Staatsministerium und das Verwaltungsgericht sah der VGH Mannheim in zweiter Instanz diese Unterlagen nicht als interne Mitteilungen geschützt an, da ein solcher Schutz in zeitlicher Hinsicht nur für die Dauer eines behördlichen Entscheidungsprozesses bestehe. Das Land Baden-Württemberg wandte sich sodann gegen diese Entscheidung durch Revision zum Bundesverwaltungsgericht, das wiederum den EuGH um Vorabentscheidung einiger wesentlicher Auslegungsfragen im Hinblick auf die „internen Mitteilungen“ ersuchte.
Der Generalanwalt schlug nun dem EuGH vor, als interne Mitteilungen sämtliche Dokumente anzusehen, die an eine andere Person gerichtet sind und den Binnenbereich einer Behörde zu dem Zeitpunkt, zu dem die zuständige Behörde über den bei ihr gestellten Antrag entscheide, noch nicht verlassen haben. Der Anwendungsbereich soll zeitlich unbegrenzt sein, die vergangene Zeit soll jedoch bei der Interessensabwägung Berücksichtigung finden. Nunmehr ist der EuGH mit seiner Entscheidung an der Reihe, ob er dem Generalanwalt folgen möchte, bevor dann die nationale Gerichtsbarkeit den Rechtsstreit fortsetzt.
(5) Urteile des erstinstanzlichen Europäischen Gerichts vom 08.07.2020 zur europäischen Bankenaufsicht: Von der Europäischen Zentralbank gegen Kreditinstitute verhängte Geldbußen sind teilweise nichtig (T-203/18, T-576/18, T-577/18, T-578/18)
Im Rahmen ihrer Aufsicht hatte die Europäischen Zentralbank (EZB) Geldbußen gegen verschiedene Kreditinstitute verhängt. Auf das Rechtsmittel von betroffenen Kreditinstituten hin erklärte das erstinstanzliche Europäische Gericht diese Bußen teilweise für nichtig.
In der Rechtssache T-203/18 berief sich das betroffene Kreditinstitut auf die Rechtswidrigkeit eines EZB-Beschlusses, mit dem dem Kreditinstitut ein fahrlässiger Verstoß zur Last gelegt wurde, weil es entgegen Art. 77 Abs. 1 lit. a) der europäischen Kapitaladäquanz-Verordnung (VO (EU) Nr. 575/2013) eigene Aktien zurückgekauft habe, ohne vorher die Erlaubnis der zuständigen Behörde eingeholt zu haben. Die EZB verhängte daraufhin eine Geldbuße in Höhe von 1.600.000 Euro, was 0,03% des Umsatzes des Kreditinstituts entsprach. Das Kreditinstitut erhob dagegen Klage und widersprach der Feststellung eines Verstoßes. Zudem sah es die Auferlegung einer Geldbuße als nicht verhältnismäßig an. Schließlich wandte sich das Kreditinstitut auch gegen die Veröffentlichung dieser Geldbuße auf der Internetseite der EZB. Das Europäische Gericht wies sämtliche Klagegründe zurück.
In drei weiteren Beschlüssen, gegen die in den Rechtssachen T-576/18, T-577/18 und T-578/18 Nichtigkeitsklagen erhoben worden waren, hatte die EZB drei Kreditinstituten vorgeworfen, entgegen Art. 26 Abs. 3 der vorgenannten EU-Verordnung Kapitalinstrumente als Instrumente ihres harten Kernkapitals eingestuft zu haben, ohne wiederum die vorherige Erlaubnis der zuständigen Behörde eingeholt zu haben. Dies bewertete die EZB als fahrlässig begangene Verstöße und verhängte Geldbußen. Hier hat das Europäische Gericht die Beschlüsse wegen unzureichender Begründung teilweise für nichtig erklärt. Die angefochtenen Beschlüsse enthielten keine genauen Angaben zu der von der EZB zur Bemessung der verhängten Geldbußen angewandten Methodik, sondern lediglich einige Erwägungen zur Schwere des Verstoßes, zu seiner Dauer und zur Schwere der zur Last gelegten Pflichtverletzung sowie die Zusicherung, dass ein oder mehrere mildernde Umstände berücksichtigt worden seien.
(6) Europäisches Datenschutzrecht: EuGH erteilt in seinem Urteil vom 16.07.2020 der Datenübermittlung in die USA auf der Grundlage des Privacy Shield eine Absage (C-311/18 - Schrems II)
In einem weitreichenden Urteil stellte der EuGH am 16. Juli 2020 auf Vorlagefragen des irischen High Court die Ungültigkeit des Beschlusses 2016/1250 der Europäischen Kommission über die Angemessenheit des vom EU-US-Datenschutzschild („Privacy-Shield“) gebotenen Schutzes fest. Der EuGH begründete dies damit, dass durch diesen Beschluss nicht ausreichend gewährleistet werde, dass übermittelte Daten in den USA dem gleichen Schutzniveau unterfallen wie in der EU. Der Beschluss 2010/87/EU der Kommission über Standardvertragsklauseln für die Übermittlung personenbezogener Daten in Drittländer sei dagegen gültig. Allerdings muss hierbei sichergestellt sein, dass die Daten in den Drittstaaten im Vergleich zur EU auf „gleichwertige“ Weise geschützt werden. Zu weiteren Einzelheiten vgl. HAVER & MAILÄNDER-Beitrag von Frau Rechtsanwältin Bettina Backes vom 31.07.2020: „EuGH erklärt Privacy Shield für ungültig – Was heißt dies für Unternehmen?“
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