Bedeutung des Twitter-Ausstiegs des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg für Unternehmen
Von: Bettina Backes und Carolin Nemec
In: Deutscher AnwaltSpiegel 08/2020 S. 17
HAVER & MAILÄNDER wird als TOP KANZLEI 2020 im Kompetenzbereich Kartellrecht – kartellrechtliche Streitigkeiten ausgezeichnet. Empfohlen werden ebenfalls die Kompetenzbereiche Kartellrecht, Streitbeilegung (einschließlich internationaler Arbitration), Handels- und Vertriebsrecht sowie Vergaberecht.
Dr. Alexander Hübner und Dr. Christian Aufdermauer werden empfohlen im Handels- und Vertriebsrecht sowie Prof. Dr. Ulrich Schnelle und Dr. Volker Soyez im Kartellrecht.
Im Rechtsgebiet der Streitbeilegung/Arbitration (einschließlich internationaler Arbitration) werden von The Legal 500 EMEA Dr. Gert Brandner, Dr. Hans-Georg Kauffeld, Dr. Roland Kläger und Dr. Klaus A. Gerstenmaier empfohlen. Dr. Alexander Hübner wird zudem empfohlen im Vergaberecht.
Download: CORONA-TASK-FORCE NEWS 5_D Update
+++ UPDATE STAND 14.04.2020+++
Finanzhilfen für Unternehmen, die aufgrund der Corona-Krise in Finanzierungsschwierigkeiten geraten sind
– Aktueller Stand staatlicher Hilfen des Bundes und des Landes Baden-Württemberg –
Der Mittelstand gilt als Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Jedoch trifft die Corona-Krise mittelständische Unternehmen hart. Mittlerweile sind Mittelständler in jeder Größenordnung von den Folgen der Corona-Pandemie betroffen. Am 23. März 2020 hat der Deutsche Bundestag ein historisches Rettungspaket beschlossen. Unternehmen, die durch das Coronavirus unverschuldet in Krisen geraten sind, können nun staatliche Hilfen beantragen – von Sofortzahlungen für die kleinsten des deutschen Mittelstandes, über Kredite der KfW für oder der Landeskreditbank Baden-Württemberg – Förderbank (L-Bank) für Unternehmen, die über genügend Eigenkapital verfügen, bis hin zu Bürgschaften der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg oder der L-Bank.
Wir zeigen auf, was zu tun ist, um Zugang zu Soforthilfen / Zuschüssen, Förderkrediten, oder Staatsbürgschaften zu erhalten und geben einen konsolidierten Überblick über die wesentlichen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen bestehender Fördermöglichkeiten des Bundes und des Landes Baden-Württemberg.
Inhaltsübersicht:
• Soforthilfe Corona / Härtefallfonds BW s. Ziff. 1
• Soforthilfe durch den Bund s. Ziff. 2 (+++ NEU +++)
• KfW-Schnellkredit 2020 s. Ziff. 3 (+++ NEU +++)
• KfW-Förderdarlehen s. Ziff. 4
• KfW-Direktbeteiligung für Konsortialfinanzierung s. Ziff. 5
• Förderdarlehen durch die L-Bank s. Ziff. 6
• Bürgschaften des Landes s. Ziff. 7
Die Konditionen für die Corona-spezifischen Finanzhilfen sind kürzlich gestartet und unterliegen der ständigen Weiterentwicklung und Anpassung. Zum aktuellen Stand kann der folgende Überblick gegeben werden.
1. Soforthilfe Corona / Härtefallfonds des Landes Baden-Württemberg
Seit Mittwochabend, 25. März 2020, können Soloselbstständige, Unternehmen und Angehörige der Freien Berufe, die unmittelbar durch die Corona-Pandemie wirtschaftlich geschädigt sind, finanzielle Soforthilfen beantragen. Grundlage hierfür bildet die Richtlinie für die Unterstützung der von der Corona-Pandemie geschädigten Soloselbständigen, Unternehmen und Angehörigen der Freien Berufe („Soforthilfe Corona“) des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg vom 22. März 2020.
Als Antragsberechtigt gelten:
Der Hauptsitz des Antragsstellers muss in Baden-Württemberg liegen. Anträge dürfen nur gestellt werden, wenn noch keine vergleichbare Hilfe des Landes Baden-Württemberg oder eines anderen Bundeslandes für eine möglicherweise in einem anderen Bundesland oder in Baden-Württemberg bestehende Betriebsstätte beantragt oder gewährt wurde. Die Anträge sind in diesem Zusammenhang von dem Hauptsitz des Unternehmens zu stellen.
Der Fördergrund, d. h. eine infolge der Corona-Pandemie nach dem 11. März 2020 entstandene existenzbedrohliche Wirtschaftslage oder Liquiditätsengpässe, Umsatzeinbrüche oder Honorarausfälle sind durch Eidesstattliche Versicherung schriftlich auf den amtlich vorgesehenen Antragsformularen zu bestätigen.
Eine existenzbedrohliche Wirtschaftslage wird angenommen, wenn sich für den Monat, in dem der Antrag gestellt wird, ein Umsatz- bzw. Honorarrückgang von mindestens 50 % verglichen mit dem durchschnittlichen monatlichen Umsatz (bezogen auf den aktuellen und die zwei vorangegangenen Monate) im Vorjahr ergibt und/ oder der Betrieb auf behördliche Anordnung wegen der Corona-Krise geschlossen wurde und die vorhandenen liquiden Mittel nicht ausreichen, die kurzfristigen Verbindlichkeiten (bspw. Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten) zu zahlen. Zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten kann bei Personengesellschaften ein kalkulatorischer Pauschalbetrag von EUR 1.180,00 pro Monat für Lebensunterhalt des Inhabers hinzugezählt werden.
Der Gegenstand der Förderung ist ein einmaliger verlorener Zuschuss, zunächst für drei Monate, in Höhe von bis zu
• EUR 9.000 für Soloselbstständige und Unternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten,
• EUR 15.000 für Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten,
• EUR 30.000 für Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten.
Sonstige Hilfen, etwa Entschädigungsleistungen nach dem Infektionsschutzgesetz, Versicherungsleistungen oder Kurzarbeitergeld sind zu berücksichtigen. Hingegen dürften sonstige staatliche Hilfen in Anspruch genommen werden, soweit ein Liquiditätsengpass oder ein Umsatzeinbruch weiterhin besteht.
Für die bewilligten Zuschüsse gilt ein direktes Verrechnungs- beziehungsweise Aufrechnungsverbot mit bereits bestehende Kreditlinien beim jeweiligen Kreditinstitut. Bei Überweisung des Zuschusses darf es nicht zu einer zwangsläufigen Bedienung bereits bestehender Kontokorrentforderungen oder sonstiger Zins- und Tilgungsforderungen kommen. Der bewilligte Zuschuss muss vollumfänglich zur Kompensation der unmittelbar durch die Corona-Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Engpässe genutzt werden.
Der Antrag auf Bewilligung kann als Formular im Internet heruntergeladen werden (https://assets.baden-wuerttemberg.de/pdf/200325_Antrag_Soforthilfe-Corona_BW.pdf). Der Antrag ist vollständig ausgefüllt und unterschrieben, in PDF-Format ausschließlich über die Internetseite https://www.bw-soforthilfe.de/ einzureichen. Zur Erläuterung und als Ausfüllhilfe sind auf der Internetseite des Wirtschaftsministeriums FAQ’s veröffentlicht (siehe https://wm.baden-wuerttemberg.de/de/service/foerderprogramme-und-aufrufe/liste-foerderprogramme/soforthilfe-corona/). Der ausgefüllte und unterschriebene Antrag darf nicht per Post oder Email übermittelt werden. Für die Vorprüfung des Antrages sind die Kammern zuständig, d. h. die jeweils örtlich zuständige Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer oder – für freie Berufe – an das Institut für Freie Berufe (IFB). Diese leiten den Antrag sodann an die L-Bank weiter, welche die finale Bewilligung und Auszahlung vornimmt.
2. Soforthilfe des Bundes für Selbständige, Freiberufler & Kleine Betriebe (+++ UPDATE VOM 14.04.2020 +++)
Das Bundeskabinett hat am 23. März 2020 Soforthilfe in Höhe von EUR 50 Mrd. zugunsten von Kleinstunternehmen aus allen Wirtschaftsbereichen sowie Soloselbständigen und Angehörigen der Freien Berufe, die in der Regel keine Kredite erhalten und über keine Sicherheiten oder weitere Einnahmen verfügen, beschlossen.
Die Soforthilfe soll die wirtschaftliche Existenz der Antragsteller sichern und aktuelle Liquiditätsengpässe (durch laufende Betriebskosten wie Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten) überbrücken und versteht sich komplementär zu den entsprechenden Länderprogrammen. Die Förderung des Bundes kann also neben der Förderung des Landes beantragt werden, wenn der Liquiditätsbedarf noch nicht gedeckt ist.
Die finanzielle Soforthilfe für Unternehmen bzw. Betriebe mit bis zu 10 Beschäftigten erfolgt durch Einmalzahlung
Die Antragsberechtigung setzt voraus, dass wirtschaftliche Schwierigkeiten infolge der Corona-Krise eingetreten sind, d. h. das Unternehmen darf vor dem 11. März 2020 nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewesen sein. Die Auszahlung der Mittel soll durch die Länder / Kommunen erfolgen. Noch stehen für das Bundesprogramm keine Antragsformulare zur Verfügung. Die weitere Implementierung dieser Soforthilfe bleibt abzuwarten.
Dieses Programm ergänzt die Programme der Länder. Die Anträge sollen deswegen aus einer Hand in den Bundesländern bearbeitet werden. Bund und Länder haben sich am 29. März 2020 mit einer Verwaltungsvereinbarung geeinigt, wie die Anträge auf Sofort-Hilfe in den Ländern gestellt und schnell und unbürokratisch bearbeitet werden können.
Zum Antragsformular: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Schlaglichter/Corona-Schutzschild/2020-03-30-Musterantrag-Soforthilfen.pdf?__blob=publicationFile&v=1
Zur Ermittlung der zuständigen Behörde: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2020/03/2020-03-29-PM-Verwaltungsvereinbarung-Soforthilfe-Anlage.pdf?__blob=publicationFile&v=7.
In Baden-Württemberg: Antragstellung bei und Vorprüfung durch die Industrie- und Handelskammer bzw. die zuständige Handwerkskammer, Bewilligung durch die L-Bank.
3. KfW-Schnellkredit 2020 (+++ UPDATE VOM 14.04.2020 +++)
Ab dem 15.04.2020 können Unternehmen, die aufgrund der Corona-Krise in finanzielle Schieflage geraten sind und einen Kredit benötigen, über ihre Hausbank den neuen KfW-Schnellkredit 2020 beantragen.
Für den KfW-Schnellkredit 2020 antragsberechtigt sind:
• Selbständige und Unternehmen
• die mindestens seit Januar 2019 am Markt sind, und
• im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2019 einen Gewinn erzielt haben – oder im kürzeren Zeitraum, wenn sie noch nicht seit 2017 am Markt sind.
Der KfW-Schnellkredit 2020 steht auch Unternehmen zur Verfügung, an denen Private-Equity-Investoren beteiligt sind, es sei denn, maßgebliche beteiligte Investoren erhalten während der Kreditlaufzeit Ausschüttungen oder entnehmen Kapital.
Das Förderprogramm kommt nicht in Frage für Unternehmen, die bis zum 31.12.2019 in Schwierigkeiten waren, also vor Beginn der Corona-Krise. Es kommt ebenfalls nicht in Frage für Unternehmen, die während der Kreditlaufzeit Gewinn oder Dividende ausschütten, die über marktübliche Ausschüttungen oder Entnahmen für Geschäftsinhaber (natürliche Personen) hinausgehen.
Gegenstand der Förderung ist ein Darlehen über
• maximal EUR 500.000 für Unternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitern bis einschließlich 50 Mitarbeitern und
• maximal EUR 800.000 für Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern.
Es können jedoch pro Unternehmensgruppe maximal bis zu 25% des Jahresumsatzes 2019 mitfinanziert werden. Der KfW Schnellkredit 2020 kann sowohl für Anschaffungen (Investitionen), als auch für laufende Kosten (Betriebsmittel) verwendet werden. Ausgeschlossen ist u. a. die Umschuldung oder Ablösung bestehender Kredite.
Die Laufzeiten betragen bis zu 10 Jahre bis zur vollständigen Rückzahlung des Darlehensbetrages, auf Wunsch können zu Beginn zwei tilgungsfreie Jahre gewährt werden. Eine vorzeitige Rückzahlung ohne Vorfälligkeitsentschädigung ist möglich. Der Zinssatz orientiert sich an der Entwicklung des Kapitalmarktes und wird spätestens mit Zusage der KfW festgelegt. Der Zinssatz wird im Gegenzug zu den diversen Vorteilen (schnelle Abwicklung, Sicherheiten), etwas höher als beim KfW-Sonderprogramm 2020.
Da die KfW 100% des Bankenrisikos übernimmt, erfolgt die Gewährung des KfW-Schnellkredits 2020 ohne Risikoprüfung durch die Hausbank. Ferner muss der Darlehensnehmer keine Sicherheiten stellen. Ausgeschlossen ist daher eine Kombination mit den Programmen der Bürgschaftsbanken.
Die Auszahlung des Geldes soll vom 28.04.2020 an beginnen. Das Programm ist befristet bis zum 31.12.2020.
4. KfW-Förderdarlehen
Die KfW hat ihre bestehenden Förderprogramme mit Wirkung ab dem 23. März 2020 durch ein „KfW-Sonderprogramm 2020“ ausgeweitet, um Unternehmen den Zugang zu Darlehen zu erleichtern. Hierbei wurden die Kredit- und Rahmenbedingungen verbessert:
• Niedrigere Zinssätze
• Vereinfachte Risikoprüfung der KfW bei Krediten bis EUR 3 Mio.
• Haftungsfreistellung der Hausbank durch die KfW von bis zu 90%.
Das KfW-Sonderprogramm 2020 steht Unternehmen zur Verfügung, die durch die Corona-Krise vorübergehend Finanzierungsschwierigkeiten haben. Wenn das Unternehmen bis zum 31. Dezember 2019 nicht in Schwierigkeiten war, geordnete wirtschaftliche Verhältnisse aufwies, die Hausbank bzw. Konsortialbank keine Kenntnis von ungeregelten Zahlungsrückständen von mehr als 30 Tagen hatte, und keine Stundungsvereinbarungen oder Covenantbrüche bestanden, sondern zum Zeitpunkt der Antragstellung gemäß der aktuellen Planung (d. h. auf Basis einer sich wieder normalisierenden wirtschaftlichen Gesamtsituation „wie vor der Krise“) die Durchfinanzierung für 2020 gegeben war, kann das Unternehmen einen KfW-Unternehmerkredit oder einen ERP-Gründerkredit – Universell beantragen.
Bislang durften diese Programme nur für Investitionen verwendet werden, etwa für Innovationen oder Digitalisierung. Wegen der Corona-Krise stehen diese Programme nun auch für Betriebsmitteldarlehen offen. Die Programme stehen für junge und etablierte Unternehmen bis zu einem Gruppenjahresumsatz von EUR 2 Mrd. zur Verfügung. Der Kredithöchstbetrag je Unternehmensgruppe beträgt EUR 200 Mio. für Investitionen und Betriebsmittel.
Nach Auskunft der KfW ist eine Kreditzusage und Auszahlung spätestens ab dem 14. April 2020 möglich.
4.1 ERP-Gründerkredit – Universell (für Unternehmen, die noch keine fünf Jahre am Markt sind)
Antragsberechtigt sind zunächst natürliche Personen, die für ein Unternehmen, eine freiberufliche Existenz oder ein gewerbliches Unternehmen Festigungsmaßnahmen innerhalb der ersten fünf Jahre nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit durchführen, oder die ein solches Unternehmen übernehmen, bzw. im Rahmen von Unternehmensnachfolge eine Beteiligung bzw. Aufstockung daran eingehen.
Ferner Unternehmen der gewerblichen Privatwirtschaft sowie Einzelunternehmen und Freiberufler mit Sitz in Deutschland, die noch keine fünf Jahre am Markt sind. Gefördert werden hierbei
• kleine und mittlere Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von höchstens EUR 50 Mio. oder einer Jahresbilanzsumme von höchstens EUR 43 Mio.;
• große Unternehmen ohne Umsatzbeschränkung.
Voraussetzung ist, dass der Antragsteller in der Regel seit drei Jahren selbständig tätig ist beziehungsweise das antragstellende Unternehmen in der Regel seit drei Jahren besteht, mindestens aber über eine Unternehmenshistorie mit aussagefähigen Jahresabschlussunterlagen von zwei Geschäftsjahren verfügt.
Die Besonderheit des ERP-Gründerkredits – Universell liegt darin, dass der Zinssatz aus Mitteln des ERP-Sondervermögens vergünstigt wird. Das ERP-Sondervermögen stammt ursprünglich aus Mitteln des Marshallplans (offiziell European Recovery Program genannt) und wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie verwaltet. Im Fokus der Förderung stehen kleine und mittlere Unternehmen, die in ihrer Finanzierungssituation oftmals gegenüber Großunternehmen strukturell benachteiligt sind.
4.2 KfW-Unternehmerkredit (für Unternehmen, die mindestens 5 Jahre am Markt sind)
Antragsberechtigt sind Unternehmen der gewerblichen Privatwirtschaft sowie Einzelunternehmen und Freiberufler mit Sitz in Deutschland, die seit mindestens fünf Jahren am Markt sind. Gefördert werden
• kleine und mittlere Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von höchstens EUR 50 Mio. oder einer Jahresbilanzsumme von höchstens EUR 43 Mio.;
• große Unternehmen ohne Umsatzbeschränkung.
Finanziert werden nicht nur Investitionen, Warenlager und Akquisitionen, sondern auch Betriebsmittel, d. h. die für die laufenden Kosten des Unternehmens erforderliche Liquidität.
4.3 Antragsverfahren und Kreditbedingungen
Die Antragstellung hat generell über Banken und Sparkassen als Finanzierungspartner der KfW zu erfolgen („Hausbankprinzip“). Erster Ansprechpartner sollte daher die Hausbank des Darlehensnehmers sein. Eine Antragstellung direkt bei der KfW ist nicht möglich. Vielen Banken ermöglichen eine elektronische Durchführung des Antragsverfahrens.
Der Kreditbetrag ist auf EUR 1 Milliarde pro Unternehmensgruppe begrenzt und beträgt maximal 25% des Jahresumsatzes 2019 oder das doppelte der Lohnkosten 2019, oder den aktuellen Liquiditätsbedarf für die nächsten 18 Monate bei kleinen und mittleren Unternehmen bzw. für die nächsten 12 Monate bei großen Unternehmen. Bei Krediten größer als EUR 25 Mio. ist der Kreditbetrag auf maximal 50% der Gesamtverschuldung des Unternehmens begrenzt.
Der Zinssatz orientiert sich an der Entwicklung des Kapitalmarktes und wird am Tag der Zusage festgelegt. Hierbei werden die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers und die Werthaltigkeit der für den Kredit gestellten Sicherheiten berücksichtigt. Der Zinssatz liegt zwischen 1% und 1,46% für kleine und mittlere Unternehmen, sowie zwischen 2% und 2,12% für groößere Unternehmen.
Die Laufzeit beträgt bei der Finanzierung von Betriebsmitteln bis zu 2 Jahre mit Tilgung in einer Summe am Laufzeitende und einer Zinsbindung für die gesamte Kreditlaufzeit oder bis zu 5 Jahre bei höchstens einem Tilgungsfreijahr und eine Zinsbindung für die gesamte Kreditlaufzeit. Bei der Finanzierung von Investitionen, Warenlagern oder Akquisitionen gelten abweichende Laufzeiten und Zinsbindungsfristen.
Für den Kredit sind bankübliche Sicherheiten zu stellen, deren Form und Umfang mit dem Finanzierungspartner im Rahmen der Kreditverhandlungen zu vereinbaren sind. Falls das Unternehmen oder der Inhaber / Gesellschafter nicht über ausreichende Kreditsicherheiten verfügen, kann die Hausbank eine Bürgschaft bei der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg oder bei der L-Bank beantragen (s. Ziff. 7).
Auf eine eigene Risikoprüfung verzichtet die KfW bei Kreditbeträgen bis zu EUR 3 Mio. pro Unternehmen. Bei Kreditbeträgen über EUR 3 Mio. bis einschließlich EUR 10 Mio. pro Unternehmen führt die KfW eine vereinfachte Risikoprüfung („modifizierter Fast Track“) durch. Hierfür sind die letzten zwei Jahresabschlüsse, bzw. betriebswirtschaftliche Auswertungen per 12/2019, sowie der interne Kreditbeschluss des Finanzierungspartners vorzulegen. Bei Krediten über EUR 10 Mio. wird eine ausführliche Risikoprüfung vorgenommen. Optional stellt die KfW den Finanzierungspartner für kleine und mittlere Unternehmen zu 90% und für Unternehmern oberhalb dieser Grenzen zu 80% von der Haftung frei.
5. KfW-Sonderprogramm „Direktbeteiligung für Konsortialfinanzierung“
Das Sonderprogramm „Direktbeteiligung für Konsortialfinanzierung“ richtet sich an mittelständische und große Unternehmen, die aufgrund der Corona-Krise ab 01. Januar 2020 vorübergehend in Finanzierungsschwierigkeiten geraten sind. Die KfW beteiligt sich hierbei in marktüblicher Art und Weise zu gleichen Bedingungen wie andere Banken an Finanzierungen. Dabei übernimmt die KfW anteilig Kreditrisiken des finanzierten Unternehmens und bietet den beteiligten Banken optional eine Refinanzierung an. Die Finanzierungsstrukturen sind auf die individuellen Bedürfnisse des Kreditnehmers abgestimmt.
Eine Antragsberechtigung ist bei in- und ausländische Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, die sich mehrheitlich in Privatbesitz befinden, für Vorhaben in Deutschland, gegeben. Auslandsvorhaben von deutschen Unternehmen oder deren Tochtergesellschaften mit Sitz im Ausland können hingegen nicht finanziert werden.
Mit dem Programm werden Unternehmen unterstützt, die sich zum Stichtag 31. Dezember 2019 nicht in finanziellen Schwierigkeiten befanden, sondern geordnete wirtschaftliche Verhältnisse aufwiesen. Die Konsortialbank hat keine Kenntnis von ungeregelten Zahlungsrückständen von mehr als 30 Tagen, bestehenden Stundungsvereinbarungen oder Covenantbrüchen, sondern zum Zeitpunkt der Antragstellung ist gemäß der aktuellen Planung (d. h. auf Basis einer sich wieder normalisierenden wirtschaftlichen Gesamtsituation „wie vor der Krise“) die Durchfinanzierung für 2020 voraussichtlich gegeben und es besteht für das Unternehmen auf dieser Basis eine positive Fortführungsprognose.
Der Umfang der Finanzierung kann sich auf die gesamten Ausgaben für Investitionen und Betriebsmittel erstrecken. Die KfW beteiligt sich mit Risikobeteiligungen an Fremdkapitalfinanzierungen, wobei der KfW-Risikoanteil in der Regel mindestens EUR 25 Mio. beträgt und nicht das Doppelte der jährlichen Lohnabrechnungen 2019 oder 25% des Gesamtumsatzes des Jahres 2019 oder den Liquiditätsbedarf der kommenden 12 Monate übersteigt. Die Risikoübernahme der KfW kann maximal 80 % der Vorhabenfinanzierung betragen. Der Anteil der KfW an der Gesamtverschuldung des Unternehmens ist auf maximal 50% begrenzt. Optional können alle am Konsortium teilnehmenden Banken bilateral von der KfW refinanziert werden.
Hinsichtlich der Konditionen beteiligt sich die KfW an Finanzierungen mit einer Laufzeit bis zu 6 Jahren pari passu zu Marktkonditionen, d. h. die KfW übernimmt für ihre Risikobeteiligung die von den Finanzierungspartnern vereinbarten Konditionen (unter anderem Laufzeit, Tilgungsmodus, Margen, Bereitstellungsprovision, Gebühren, Besicherungsstruktur), sofern diese auf Basis einer Bonitäts- und Risikoeinschätzung durch die KfW als maßgerecht angesehen werden.
Zudem hat die KfW angekündigt, ergänzend zu den vorgenannten Finanzierungsmöglichkeiten ein „erweitertes Sonderprogramm 2020“ mit erhöhter Risikotoleranz anzubieten. Dieses soll auch von Unternehmen in Anspruch genommen werden können, die bedingt durch die Corona-Krise vorübergehend in Finanzierungsschwierigkeiten geraten sind. Näheres ist derzeit nicht bekannt.
6. Förderdarlehen des Landes Baden-Württemberg durch die L-Bank
Die Landeskreditbank Baden-Württemberg – Förderbank (L-Bank) hat im Darlehensbereich noch keine Sonderprogramme aufgelegt, um Unternehmen in der Corona-Krise zu unterstützen. Jedoch bietet die L-Bank u. a. für kleine und mittelständische Unternehmen zur Deckung ihres Liquiditätsbedarfs einen „Liquiditätskredit“ an, der Hilfe bei vorübergehenden Liquiditätsanpassungen bietet.
Voraussetzung für die Bewilligung ist grundsätzlich, dass die Hausbank bestätigt, dass ein tragfähiges wirtschaftliches Gesamtkonzept vorliegt. Inwieweit hier angesichts der Corona-Krise bei Voraussetzungen und im Bewilligungsverfahren Sonderregelungen gelten, bleibt abzuwarten.
Antragsberechtigt sind mittelständische Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft und freiberuflich tätige mit bis in der Regel bis zu 500 Beschäftigten. Der Antrag auf Gewährung eines Förderdarlehens ist über die Hausbank des antragstellenden Unternehmens einzureichen. Die L-Bank vergibt sodann ein zinsverbilligtes Darlehen an die Hausbank, die dies an das Unternehmen weiterleitet.
Der Kreditbetrag beläuft sich auf mindestens EUR 10.000 und maximal EUR 5 Mio., die Sollzinsen liegen für die gesamte Laufzeit unter den Marktzinsen für Betriebsmittelkredite.
Hinsichtlich der Laufzeiten bestehen Varianten zwischen 4 und 10 Jahren mit einem bzw. ab 6 Jahren Laufzeit mit bis zu zwei tilgungsfreien Jahren.
Für den Kredit sind bankübliche Sicherheiten zu stellen, deren Form und Umfang mit der Hausbank zu vereinbaren ist. Falls das Unternehmen oder der Inhaber / Gesellschafter nicht über ausreichende Kreditsicherheiten verfügen, kann die Hausbank eine Bürgschaft bei der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg oder bei der L-Bank beantragen (s. Ziff. 5).
Zum Antragsverfahren:
Das Unternehmen stellt den Förderantrag bei einem Kreditinstitut seiner Wahl, das den Antrag, gegebenenfalls über das Zentralinstitut an die L-Bank weiterleitet („Hausbankprinzip“).
Ein vollständiger Antrag an die L-Bank umfasst das Antragsformular „Antrag für Kreditprogramme des Landes“, welches auf der Homepage der L-Bank unter https://www.l-bank.de/produkte/wirtschaftsfoerderung/liquiditatskredit.html abrufbar ist.
7. Bürgschaften der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg und der L-Bank
Für Mittelständler, die aufgrund der Corona-Pandemie wirtschaftlich geschädigt sind, wurden für Bürgschaftsbank Baden-Württemberg folgende Maßnahmen getroffen:
• Verdoppelung der Bürgschaftsobergrenze auf EUR 2,5 Mio.
• Erhöhung der Bürgschaftsquote für Betriebsmittel auf 80%
• Erhöhung der Rückbürgschaft des Bundes um 10%, womit sich das Risiko der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg auf 25% verringert.
• Verfahrensbeschleunigung bei Bürgschaftsbeträgen bis EUR 250.000, Entscheidung innerhalb weniger Tage
Als antragsberechtigt gelten Unternehmen, die über ein grundsätzlich funktionierendes Geschäftsmodell verfügen (vor Ausbruch der Krise), deren Kapitaldienstfähigkeit im Jahre 2019 gegeben war, für die eine zusätzliche Belastung auf Basis der wirtschaftlichen Zahlen 2019 tragbar ist und die flankierend kostenreduzierende Maßnahmen ergreifen.
Ein förderfähiger Sicherungszweck liegt in Krediten für Betriebsmittel und Investitionen, wobei sich die Bürgschaftsbank mit einer Bürgschaftsquote zwischen 50% und 80% beteiligt. Die Bürgschaftssumme ist bei der Bürgschaftsbank auf EUR 2,5 Mio. begrenzt.
Für Bürgschaften über EUR 2,5 Mio. ist die L-Bank zuständig. Hier bestehen verschiedene Bürgschaftsmodelle (Kombi-Bürgschaft 50, Individuelle Bürgschaften, InnovFin70), die sich an mittelständische Unternehmen oder Freiberufler richten. Reine Betriebsmittelinvestitionen werden von der L-Bank nicht besichert. Besicherung von Betriebsmittelkrediten erfolgt nur im Zusammenhang mit Investitionen. Es bleibt abzuwarten, ob diese Praxis im Zuge der Corona-Krise geändert wird.
Zum Antragsverfahren:
Das Unternehmen stellt den Antrag auf Gewährung einer Bürgschaft bei einem Kreditinstitut seiner Wahl, das den Antrag, gegebenenfalls über das Zentralinstitut an die Bürgschaftsbank weiterleitet.
Die Entscheidungszeiten belaufen sich bis zu einem Bürgschaftsbetrag von EUR 250.000 auf 72 Std., bis EUR 500.000 auf 5 bis 10 Tage und bei Bürgschaften über mehr als EUR 500.000 auf 7 bis 15 Tage.
Als Entscheidungsgrundlage sind vorzulegen der Jahresabschluss 2018, vorläufige Zahlen / betriebswirtschaftliche Auswertungen 2019 einschließlich Summen- und Saldenliste, aussagefähige Dokumente zur Kapitalbedarfsermittlung, sowie eine Selbstauskunft. Bei Bürgschaften über mehr als EUR 250.000 ist zudem ein Liquiditätsplan nebst Rentabilitätsvorschau erforderlich.
Wir begleiten Sie in der durch die Corona-Krise ausgelösten Ausnahmesituation und beraten Sie zu möglichen Optionen für einen angemessenen Umgang mit der aktuellen Situation.
Ihr Ansprechpartner:
Rechtsanwalt
Attorney-at-Law (New York)
Kai Graf v. der Recke LL.M. (Boston)
Tel.: +49 (0)711/22744-41
kr@haver-mailaender.de
Dieses Dokument gibt allgemeine Sachinformationen und generelle Handlungsempfehlungen wieder und soll dem Empfänger als erste Orientierung über die darin angesprochenen tatsächlichen und rechtlichen Aspekte dienen. Die darin zusammengestellten Texte dienen allein der Darstellung im Rahmen dieses Dokuments und dokumentieren die Thematik und ihre rechtlichen Aspekte ggf. nicht vollständig. Sie stellt keine individualisierte Rechtsberatung dar. Wir haben den Inhalt mit größter Sorgfalt zusammengestellt und unsere Erfahrungen und Kenntnisse zum Zeitpunkt der Erstellung eingebracht. Nach der Natur als allgemeine Information und generelle Empfehlung erhebt deren Inhalt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit und vorbehaltlose Richtigkeit, und wir können daher für ihren Inhalt keine Haftung übernehmen.
Download: CORONA-TASK-FORCE NEWS 9_D
Durch die Corona-Pandemie werden öffentliche Auftraggeber sowie Unternehmen in Zusammenhang mit dringenden Beschaffungen vor Herausforderungen gestellt. EU, Bund und Länder zeigen Möglichkeiten auf, effiziente Beschaffungen mithilfe bereits existierender Vergabevorschriften durchzuführen.
I. Vergaberecht oberhalb der EU-Schwellenwerte
1. Liefer- und Dienstleistungen
Das geltende GWB-Vergaberecht beinhaltet bereits Regelungen, die Vergabeverfahren in Krisenzeiten vereinfachen und eine flexible Beschaffung ermöglichen. Diese bereits existierenden Regelungen werden von der EU-Kommission in ihrer Mitteilung vom 01. April 2020 sowie von dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) in seinem Rundschreiben vom 19. März 2020 zusammengefasst.
• Bei Vorliegen hinreichend begründeter Dringlichkeit können öffentliche Auftraggeber von Fristverkürzungen im offenen und im nichtoffenen Verfahren Gebrauch machen. In diesen Ausnahmesituationen können im offenen Verfahren die Angebotsfrist und im nichtoffenen Verfahren die Frist für die Einreichung des Teilnahmeantrags sowie die Angebotsfrist um etwa die Hälfte verkürzt werden.
• Bei unvorhergesehenen Ereignissen kann ausnahmsweise eine schnelle und unkomplizierte Beschaffung durch das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb erfolgen. Eine Auftragsbekanntmachung ist in dem Fall nicht erforderlich. Angebote können direkt bei den Unternehmen eingeholt werden. Im Extremfall, abhängig von der Dringlichkeit des konkreten Beschaffungsgegenstands im Einzelfall, sind in diesem Verfahren kurze Fristen bis zu 0 Tagen oder die Ansprache nur eines Unternehmens denkbar.
• Bereits bestehende Verträge können im Einvernehmen der Vertragsparteien verlängert und wertmäßig ausgeweitet werden, ohne ein neues Vergabeverfahren durchzuführen (§ 132 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GWB und § 47 Abs. 1 UVgO). Ein solches Vorgehen kann beispielsweise bei ablaufenden Rahmenverträgen für Krankenhausbedarf sinnvoll sein.
2. Bauleistungen
In drei weiteren Schreiben (vom 19., 23. und 27. März 2020) hat das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) sich explizit mit Bauvergaben und Bauausführungen in Zeiten der Corona-Pandemie auseinandergesetzt.
• Für dringende Bauaufträge, die der Eindämmung der COVID-Pandemie dienen, gelten analog die Hinweise oben (unter Ziffer 1). Dringende Bauaufträge können beispielsweise sein die zur Eindämmung der COVID-Pandemie notwendige
• Für Vergaben von Bauaufträgen hat das BMWi folgende Handlungsvorgaben erlassen:
• Im Rahmen bauvertraglicher Fragen geht das BMWi davon aus, dass die Corona-Pandemie grundsätzlich geeignet ist, den Tatbestand der höheren Gewalt zu erfüllen. Das Vorliegen der Voraussetzungen kann jedoch nicht pauschal angenommen, sondern muss im Einzelfall geprüft werden.
3. Corona-Bezug in der Praxis
Beschaffungsbedarfe wie beispielsweise Beatmungsgeräte sind derzeit eindeutig unvorhergesehen und hinreichend dringlich und können daher in den abgekürzten und/oder formal vereinfachten Vergabeverfahren erfolgen. Ebenfalls Corona-bedingt können IT-Beschaffungen sein, die beispielsweise Home-Schooling oder Home-Office öffentlich Bediensteter ermöglichen. Der öffentliche Auftraggeber muss sich aber für jede Beschaffung konkret die Fragen stellen, ob (1) die Voraussetzungen der gesetzlichen Ausnahmevorschriften vorliegen und (2) die dringende Beschaffung, die er noch am selben Tag beauftragen möchte, nicht weitere Tage Zeit hat, um beispielsweise Angebote weiterer Marktteilnehmer einzuholen.
II. Unterschwellige Vergabeverfahren
Die Ausführungen oben (zu Ziff. I.1.) gelten entsprechend für unterschwellige Verhandlungsverfahren und Vertragsänderung von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen. Für unterschwellige Bauvergaben gelten ebenfalls die Ausführungen oben (in Ziff. I.1.) zu Verhandlungsvergaben bei einem Wert über 10.000 EUR. Änderungen während der Vertragslaufzeit von Bauverträgen nach den Bestimmungen der VOB/B bedürfen grundsätzlich ohnehin keines neuen Vergabeverfahrens.
III. Erhöhung der Wertgrenzen durch die Bundesländer
Einige Länder nehmen bereits Ihre Kompetenzen wahr, das unterschwellige Vergaberecht der aktuellen Situation anzupassen:
Baden-Württemberg:
• keine Anpassung der Wertgrenzen, sondern Berufung auf Vorgaben der bereits geltenden VwV Beschaffung sowie auf das Rundschreiben des Bundes vom 19. März 2020.
Bayern:
• Corona-spezifische befristete Wertgrenzen für bis zum Ablauf des 30. Juni.2020 eingeleitete Beschaffungen (Liefer- und Dienstleistungen):
Direktvergabe: 25.000 EUR,
Verhandlungsvergabe sowie Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb: 214.000 EUR.
• Corona-unabhängige zusätzliche dauerhafte Erhöhung der Wertgrenzen.
Hamburg:
• Wertgrenze für Verhandlungsvergaben über Liefer- und Dienstleistungen: 214.000 EUR.
• Erleichterung der Vorgaben zur Einsicht des Registers zum Schutz fairen Wettbewerbs (§ 7 GRfW).
Niedersachsen:
• Wertgrenze für Verhandlungsvergaben über Liefer- und Dienstleistungen: 214.000 EUR.
• Wertgrenze für Direktauftrag (bis 31. Mai 2020): 20.000 EUR.
• Kommunen können die Wertgrenze für Corona-bedingte Direktaufträge bis auf weiteres in eigener Zuständigkeit und Verantwortung festlegen.
Nordrhein-Westfalen:
• Corona-unabhängige Wertgrenze für Direktauftrag: 3.000 EUR.
• Die UVgO wird für Beschaffungen im Zusammenhang mit der Corona-Epidemie bis zum 30. Juni 2020 ausgesetzt.
Rheinland-Pfalz:
• Liefer-, Dienst- und Bauleistungen, die unmittelbar oder mittelbar zur Eindämmung der Corona-Pandemie beitragen, können im Wege eines Direktauftrags vergeben werden (Geltung bis 30. Juni 2020).
• Vorrangig aber sind bestehende Rahmenverträge zu nutzen.
Thüringen:
• Verweis auf Rundschreiben des BMWi vom 19. März 2020.
Auch im Unterschwellen-Bereich ist trotz angehobener Wertgrenzen bei Binnenmarktrelevanz EU-Primärvergaberecht anwendbar. Dies bleibt im Einzelfall zu prüfen.
Ihre Ansprechpartner:
Rechtsanwalt / Fachanwalt für Vergaberecht
Dr. Alexander Hübner
Tel.: +49 (0)711/22744-35
ah@haver-mailaender.de
Rechtsanwältin Carolin Nemec
Tel.: +49 (0)711/22744-29
cn@haver-mailaender.de
Download: CORONA-TASK-FORCE NEWS 8_D
Auch das als von Unternehmen häufig streng empfundene Kartellrecht und insbesondere auch die das Kartellrecht durchsetzenden Behörden zollen der Corona-Krise Tribut. Dies gilt sowohl für das deutsche Bundeskartellamt als auch für eine Vielzahl von ausländischen Wettbewerbsbehörden.
So haben sich die dem Netzwerk der Europäischen Wettbewerbsbehörden (ECN) angehörigen Kartellbehörden auf eine gemeinsame Erklärung zur Anwendung der Wettbewerbsregeln während der Krise verständigt. Darin kommt zum Ausdruck:
Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass die gemeinsamen Erklärungen im Kartellrecht keinen Freibrief für Wettbewerbsverstöße geben. Das Kartellrecht bleibt vollumfänglich anwendbar. Die versprochene wohlwollende Beurteilung von bestimmten Formen der Zusammenarbeit steht immer unter dem Vorbehalt der Erreichung von Effizienzgewinnen in Form der Förderung des Gemeinwohls.
Verbindliche Befreiungen von kartellrechtlichen Bestimmungen gibt es im Vereinigten Königreich für den Informationsaustausch im Lebensmittelhandel und in Norwegen bei der Kooperation in der Transportindustrie.
Ob im Einzelfall bestimmte Verhaltensweisen oder Formen der Kooperation zwischen Unternehmen krisenbedingt als vom Kartellverbot freigestellt angesehen werden können, obliegt schlussendlich der Bewertung der zuständigen Kartellbehörde. Preistreibende Absprachen, werden sich auch mit Corona-Argumenten nicht halten lassen. Die Sicherstellung einer kartellrechtlichen Compliance ist daher gerade in Zeiten wirtschaftlicher Schieflage nicht zu vernachlässigen.
Von besonderem Interesse ist für die Unternehmen, die von der Corona-Krise hart getroffen werden, das Fusionskontrollrecht. Für den Verkäufer kann es wichtig sein, sein Unternehmen innerhalb kurzer Zeit zu veräußern, um einer wirtschaftlichen Schieflage oder gar einer Insolvenz zu entgehen und den möglicherweise für den Fortbestand anderer unternehmerischer Betätigungen notwendigen Kaufpreis zu vereinnahmen. Für das Zielunternehmen kann es lebenswichtig sein, dass der Erwerber schnell ausgefallene Unternehmensfunktionen übernehmen darf. Im Ausgangspunkt ist auch hierzu festzuhalten, dass die Zusammenschlusskontrolle in allen Jurisdiktionen weiterhin durchzuführen ist und es keine grundsätzlichen Befreiungen von der Fusionskontrolle gibt. Nach wie vor darf ein anmeldepflichtiger Zusammenschluss nicht vor Freigabe vollzogen werden.
Wir zeigen nachfolgend auf, welche Reaktionen und Verhaltensweisen sich für Unternehmen im Kartellrecht und in der Fusionskontrolle anbieten. Dies geschieht im Hinblick auf vertragliche Verhältnisse wie Kooperationen und Lieferanten/Händler-Beziehungen, für das Fusionskontrollrecht und schließlich auch für Fragen des Marktmissbrauchs.
1. Kooperationen nach europäischem und deutschem Kartellrecht
Das europäische und deutsche Kartellrecht stehen mit ihren Kartellverboten in Art. 101 (1) des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und in § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) Kooperationen zwischen tatsächlichen und potentiellen Wettbewerbern kritisch gegenüber. Es wird im Regelfall befürchtet, dass eine zu enge Kooperation, insbesondere der Austausch über wettbewerbssensible Daten wie Preise, Liefermengen, Bezugskonditionen, Kundenwünsche usw. den Wettbewerb beschränkt. Das Wettbewerbsrecht gibt den Unternehmen aber die Möglichkeit, Kooperationsformen zu finden, die kartellrechtlich zulässig sind.
Diese Zulässigkeit wird entweder durch die Anwendung sogenannter Gruppenfreistellungsverordnungen wie sie z.B. auf horizontaler Ebene für Forschungs- und Entwicklungsprojekte, Verträge über Technologietransfer oder Spezialisierungsvereinbarungen gelten.
Soweit eine solche Gruppenfreistellungsverordnung für eine bestimmte Kooperationsform nicht einschlägig ist oder die betroffenen Unternehmen die in diesen Gruppenfreistellungsverordnungen regelmäßig vorgesehenen Marktanteilsschwellen überschreiten, haben die Unternehmen selbst zu prüfen, inwieweit sie vom Kartellverbot freigestellt sind. Dazu sind nach Art. 101 (3) AEUV und § 2 Abs. 1 GWB vier Voraussetzungen zu erfüllen:
Insbesondere die Gesichtspunkte der Effizienzgewinne und die Frage der Unerlässlichkeit können in der Corona-Krise Spielraum für die Freistellung von Kooperationen geben:
Die Effizienzgewinne können im Regelfall bei diesen Kooperationen darin gesehen werden, dass die Versorgungssicherheit überhaupt aufrechterhalten wird. Die Unerlässlichkeit der Vereinbarung ist an den Effizienzgewinnen zu messen, bei denen es nicht selten um die Gesundheit oder Versorgung weiter Kreise der Bevölkerung geht. Vor diesem Maßstab sind auch Wettbewerbsbeschränkungen, die in normalen Zeiten nicht freistellungsfähig wären, als freistellungsfähig anzusehen. Wichtig für die Unerlässlichkeit ist allerdings, dass die entsprechenden Wettbewerbsbeschränkungen durch die Kooperationen zeitlich begrenzt werden. Dies sollte in der Vereinbarung vorgesehen werden.
2. Lieferanten/Händler-Beziehungen
Im Vertikalverhältnis zwischen Lieferanten und Händlern erfolgt die Freistellung möglicherweise wettbewerbsbeschränkender Vertragsbestimmungen im Regelfall durch die sogenannte Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung, die typische Lieferanten/Händler-Beziehungen vom Kartellverbot ausnimmt, ihrerseits aber bestimmte Vertragsgestaltungen als sogenannte Hardcore-Beschränkungen ansieht und diese unabhängig vom Marktanteil der jeweils betroffenen Unternehmen untersagt.
Die Corona-Krise kann sich auf die Beziehungen zwischen Lieferanten und Händlern in mehrfacher Weise auswirken: Die Corona-Krise lässt den Gesetzgeber und Sicherheitsbehörden in das Marktgeschehen eingreifen. Diese Maßnahmen können wettbewerbliche Handlungsspielräume von Unternehmen beschränken oder ganz ausschließen. Wem als Hersteller per Gesetz oder sicherheitsbehördlicher Anordnung verboten ist, seine Waren außerhalb Deutschlands anzubieten, der verfügt insoweit über keinen wettbewerblichen Handlungsspielraum mehr. Entsprechende vertragliche Beschränkungen, die ein solcher Hersteller seinen Händlern auferlegt, sind rein deklaratorischer Natur und somit kartellrechtlich unbedenklich.
Bestimmte Formen der vertraglichen Zusammenarbeit, die sonst kartellrechtlich kritisch gewürdigt werden, wie z.B. eine vollständige Exklusivität, können durch die Corona-Krise gerechtfertigt sein. Die Gewährleistung der Versorgungssicherheit kann exklusive Liefer- und Bezugsverpflichtungen rechtfertigen. Temporäre Gebietsexklusivitäten zugunsten eines Abnehmers sind denkbar, soweit sie für die Erschließung oder die Sicherstellung der fortdauernden Belieferung eines Marktes erforderlich sind. Die kartellrechtliche Herausforderung besteht darin, Einschränkungen der wettbewerblichen Handlungsfreiheit von Lieferanten und Händlern auf jenes sachliche und zeitliche Maß zu beschränken, das für die Gewährleistung von Versorgungssicherheit oder die Erschließung oder Wiederbelebung eines Marktes erforderlich ist.
Die Hardcore-Beschränkungen, insbesondere das Preisbindungsverbot, gelten aber auch in Krisenzeiten unverändert. Wer etwa Preise für krisenbedingt knappe Güter auf nachgelagerten Marktstufen fixiert, indem er seinen Händlern Fix- oder Mindestwiederverkaufspreise vorgibt, verletzt das Preisbindungsverbot, eine Hardcore-Beschränkung. Kartellbehörden haben bereits angekündigt, Preissteigerungen bei krisenbedingt knappen Gütern zu untersuchen. In solchen Fällen können hohe Bußgelder verhängt werden. Zulässig sind dagegen Höchstpreisbindungen, die eine Preissetzung der Händler nach oben begrenzen. Auf diese Weise können also krisenbedingte Verkaufsförderaktionen, etwa für Atemschutzgeräte, umgesetzt werden.
Da die Corona-Krise das Kartellrecht nicht außer Kraft setzt, gilt auch für krisenbedingte Maßnahmen gegenüber Lieferanten und Händlern aus Compliance-Gesichtspunkten, dass die kartellrechtliche Zulässigkeit in jedem Fall geprüft und dokumentiert werden sollte.
3. Fusionskontrolle
Auch die Wettbewerbsbehörden haben auf die Anforderungen der Corona-Krise reagieren müssen, um die Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen. In praktisch allen Ländern, die für Anmeldungen von Unternehmenserwerben maßgeblich sind, befinden sich die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Homeoffice, die Arbeitszeiten sind teilweise reduziert worden. Gerade im Bereich der Fusionskontrolle bringen diese Erschwerungen der alltäglichen Arbeit erhebliche Weiterungen mit sich: Die Fusionskontrolle ist dadurch gekennzeichnet, dass im Interesse der anmeldenden Unternehmen relativ kurze Fristen für die Prüfung gelten, ob ein Zusammenschluss wettbewerbsschädlich ist oder freigegeben wird. Diese Fristen sind bei nicht vollständiger Arbeitsfähigkeit einer Behörde nicht ohne weiteres einzuhalten.
Vor diesem Hintergrund haben an sich alle maßgeblichen Behörden weltweit Richtlinien herausgegeben, wie sie während der Corona-Krise mit Zusammenschlüssen umgehen. Ein gemeinsames Kennzeichen dieser Erklärungen, insbesondere auch der Europäischen Kommission, der US Federal Trade Commission (FTC) und der zweiten amerikanischen Behörde, des Department of Justice (DOJ), des Bundeskartellamts, der belgischen, dänischen, spanischen und tschechischen Wettbewerbsbehörden ist die Empfehlung an Unternehmen, nicht unmittelbar notwendige Zusammenschlüsse während der Corona-Krise nicht anzumelden, sondern die Entwicklung abzuwarten. Ein wesentlicher Grund für diesen Wunsch nach Verschiebungen ist nicht nur die Arbeitssituation bei den Wettbewerbsbehörden, sondern auch die bei Unternehmen.
In komplexeren Fällen führen die Wettbewerbsbehörden sogenannte Markttests oder jedenfalls Befragungen von Wettbewerbern und Kunden durch, um sich ein aktuelles Bild der jeweiligen Marktverhältnisse zu machen. Wegen der Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit auch dieser Unternehmen wird befürchtet, dass die entsprechenden Informationen nicht während der gesetzlich vorgesehenen Fristen bei den Wettbewerbsbehörden eintreffen. Daher wird gerade für Anmeldungen, die einen erheblichen Aufwand der Behörden auch in der Marktuntersuchung erfordern, eine Verschiebung empfohlen.
Besonders nachdrücklich ist die Vorgehensweise der österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde: Diese lässt für alle Anmeldungen, die zwischen dem 23.03.2020 und 30.04.2020 eingereicht werden, die vier Wochen dauernde Prüfphase erst am 01.05.2020 beginnen.
Durchgängig haben die Wettbewerbsbehörden die Einreichung von Anmeldung und die Kommunikation erleichtert: Während in vielen Rechtsordnungen, nicht zuletzt bei der Europäischen Kommission und etwa auch in Österreich Anmeldungen in Papierform einzureichen waren, ist man jetzt zur Möglichkeit der Einreichung von Anmeldungen auch per E-Mail übergegangen. Die FTC hat allerdings hierzu erklärt, dass sie vor diesem Hintergrund davon absieht, vorzeitige Freigaben zu gewähren.
Sollten gleichwohl Fristen aus den genannten Gründen nicht eingehalten werden können, gehen die Wettbewerbsbehörden in der Weise vor, dass sie den Unternehmen empfehlen, eingereichte Anmeldungen zurückzunehmen und erneut einzureichen, idealerweise dann zunächst als Entwurf, um den Fristenlauf nicht in Gang zu setzen. Regeln über die Zusammenschlusskontrolle sehen auch vor, dass bei drohendem Fristablauf die Uhr „angehalten“ werden kann und Fristen somit nicht zu Ende gehen.
Die Kommission hat in drei bei ihr gegenwärtig in der Hauptprüfungsphase anhängigen Verfahren, die erhebliche wettbewerbsrechtliche Auswirkungen erwarten lassen, von dieser Möglichkeit des Stop the Clock Gebrauch gemacht, nämlich in den Verfahren Boeing/Embraer, Essilor Luxottica/Grand Vision und Fincantieri/Chantiers de l'Atlantique.
Die Wettbewerbsbehörden können im Extremfall erklären, dass Anmeldungen unvollständig sind und der Lauf der Frist gar nicht in Gang gesetzt worden ist.
Es ist daher in jedem Fall zu empfehlen, sich mit der Kartellbehörde vorher abzustimmen, wie und wann eine Anmeldung eingereicht werden kann, auch wenn diese auf den ersten Blick unproblematisch erscheint.
Bei der Prüfung der Anmeldepflicht ist zu berücksichtigen, dass für die Erfüllung der Schwellenwerte, jedenfalls soweit diese auf den jeweiligen Umsätzen der Unternehmen beruhen (wie z.B. bei der EU-Kommission und in Deutschland) die Umsätze des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres herangezogen werden, nicht etwa die aktuellen Umsätze, die möglicherweise in Folge der Corona-Krise deutlich zurückgegangen sind. Jedenfalls für Deutschland ist auch zu beachten, dass auch Erwerbe von Minderheitsbeteiligungen soweit diese mehr als 25 % betragen, anmeldepflichtig sind. Die Umsätze des Verkäufers sind in die Berechnung der Umsätze, die eine Anmeldepflicht begründen können, in Deutschland einzubeziehen, wenn der Verkäufer mehr als 25 % der Anteile am Zielunternehmen behält.
Während sich die Anmeldepflicht an der Vergangenheit orientiert, richtet sich die wettbewerbliche Würdigung nach einer Zukunftsprognose. Nicht entscheidend ist daher eine bloße Momentaufnahme. Zusammenschlussbeteiligte müssen demnach aufzeigen, warum gerade sie geschwächt aus der Krise herausgehen werden. Unter bestimmten Umständen kann die Corona-Krise Fusionen ermöglichen, die bislang untersagt worden wären, etwa wenn sich erhebliche Marktanteilsverschiebungen ergeben haben und diese aufgrund einer Gewöhnung der Verbraucher oder aus strukturellen Gründen auch nach der aktuellen Krise fortbestehen werden. Hier ist sicherlich erheblicher Aufwand zu leisten, es ergeben sich aber auch Gestaltungsmöglichkeiten. Dies könnte auch für Zusammenschlüsse von Krankenhäusern gelten.
Auf der anderen Seite besteht die nicht zu übersehende Gefahr, dass die Wettbewerbsbehörden bei dem Zeitdruck, der auf ihnen lastet, aus Vorsichtsgründen Zusammenschlüsse, bei denen sie nicht wirklich überzeugt sind, dass sie freigegeben werden können, untersagen.
Verstärkte Bedeutung wird aller Voraussicht nach auch die sogenannte „Failing Firm Defense“ erlangen. Sie erlaubt ausnahmsweise selbst die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung. Allerdings greift sie nur, wenn die Fortbestehensprognose für das Zielunternehmen negativ ist und es keine wettbewerbsschonendere Erwerbslösung (z.B. durch einen Finanzinvestor anstatt durch einen strategischen Investor) gibt. Auch gilt sie nicht für den Verkauf von unselbständigen Unternehmensteilen.
Auch vor diesem Hintergrund sollten sich Unternehmen, die einen Erwerb planen, überlegen, ob sie eine möglicherweise problematische Anmeldung gerade jetzt vornehmen. In jedem Fall ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt und auf absehbare Zeit den eingeschränkten Arbeitsbedingungen der Kartellbehörden durch Fristerstreckung in komplexen Zusammenschlüssen Rechnung zu tragen. Hierzu empfiehlt sich insbesondere bei einer in mehreren Jurisdiktionen bestehenden Anmeldepflicht eine vorherige Prüfung der aktuellen Situation der Handlungsfähigkeit der zuständigen Behörden und der Verfügbarkeit elektronischer Kommunikationswege.
4. Missbrauchsaufsicht
Marktmächtigen Unternehmen wird durch das Kartellrecht eine besondere Verantwortung auferlegt. Marktmächtige Unternehmen dürfen ihre Marktmacht nicht zum Nachteil von Wettbewerbern und/oder Kunden ausnutzen. Insbesondere Diskriminierungen und nachteilige Behandlungen sind ihnen untersagt. In Krisenzeiten kann das Marktverhalten solcher Unternehmen rasch in den Fokus der Kartellbehörden gelangen.
Die Marktmacht beurteilt sich immer vor dem Hintergrund des jeweiligen sachlich und räumlich relevanten Marktes. Hier kann die Corona-Krise teilweise gravierende Auswirkungen haben: Die Schließung von Landesgrenzen für den Warenverkehr kann unmittelbare Auswirkungen auf die Abgrenzung der kartellrechtlich relevanten Märkte haben und damit zur Entstehung von Marktbeherrschung führen, über die ein Unternehmen vor der Krise bei offenen Grenzen nicht verfügte. Gleiches gilt für ein krisenbedingtes Erstarken der Marktposition, weil Mitbewerber ihre Produktion nicht mehr aufrechterhalten können oder ganz aus dem Markt ausscheiden. Die knappheitsbedingte Abhängigkeit, z.B. von einem Lieferanten, ist ein Anwendungsfall relativer Marktmacht, die – neben der Marktbeherrschung – den Anwendungsbereich der besonderen deutschen Vorschriften für marktmächtige Unternehmen eröffnen kann.
Es ist bereits ausgeführt, dass Kartellbehörden angekündigt haben, Preiserhöhungen kritisch zu untersuchen. Dies gilt vor allem dann, wenn die Preiserhöhungen krisenbedingt knappe Güter, Dienstleistungen der Gesundheitsvorsorge oder Grundversorgung betreffen.
Selbst in Krisenzeiten ist jedoch nicht jede Preiserhöhung bereits ein Missbrauch von Marktmacht. Insbesondere krisenbedingt gestiegene Herstellungskosten können entsprechende Preiserhöhungen auch eines marktmächtigen Unternehmens kartellrechtlich legitimeren.
Weitere typische Anwendungsfälle des Missbrauchsverbots sind Lieferverweigerungen sowie Diskriminierungen von Lieferanten oder Abnehmern. Krisenbedingte Engpässe können jedoch ein sachlicher Grund sein, um eine teilweise oder vollständige Lieferverweigerung oder eine Ungleichbehandlung von Geschäftspartnern kartellrechtlich zu rechtfertigen. Dies gilt z.B. für eine – gegenüber Neukunden – bevorzugte Belieferung von Stammkunden. Das Kartellrecht kennt allerdings auch Aufteilungspflichten. Ein marktbeherrschender Anbieter von krisenbedingt knappen Waren oder Dienstleistungen kann kartellrechtlich verpflichtet sein, seine Abnehmer entsprechend ihrer Bedeutung (z.B. entsprechend des Umsatzes im letzten Geschäftsjahr) zu beliefern. Stammkunden können auch hiernach bevorzugt werden.
Auch hier gilt, dass marktstarke Unternehmen das kartellrechtlich relevante Handeln überprüfen und diese Prüfung und ihr Ergebnis auch dokumentieren sollten.
Ihre Ansprechpartner:
Rechtsanwalt Prof. Dr. Ulrich Schnelle LL.M. (Illinois)
Tel.: +49 (0)711/22744-27
us@haver-mailaender.de
Rechtsanwältin Elisabeth S. Wyrembek LL.M. (London)
Tel.: +49 (0)711/22744-59
ew@haver-mailaender.de
Download: CORONA-TASK-FORCE NEWS 7_D
Die momentan von den Behörden zur Eindämmung der Corona-Krise getroffenen Anordnungen, insbesondere Kontaktverbote, Ausgangssperren für einzelne Gebiete und Veranstaltungsverbote, führen nicht nur zu einer Reduzierung der sozialen Kontakte der Bevölkerung, sondern stellen auch zahllose Wirtschaftsunternehmen vor schwerwiegende Probleme bei der Durchführung von Haupt- und Gesellschafterversammlungen; so sind derzeit Veranstaltungen mit mehr als 5 Personen und damit auch Gesellschafterversammlungen in dieser Größenordnung behördlich untersagt. Betroffen sind hierdurch nicht nur reguläre Versammlungen, auf denen u.a. der Jahresabschluss festgestellt werden soll, sondern insbesondere auch außerordentliche Gesellschafterversammlungen, in denen z.B. Kapitalmaßnahmen zur Stützung der Gesellschaft in der aktuellen Krise getroffen werden sollen.
Zur Überwindung dieser Probleme sind am 28.03.2020 mit dem Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (nachfolgend „COVID-19-Gesetz“) eine Reihe von Erleichterungen in Kraft getreten, die zeitlich befristet die Abhaltung von Gesellschafterversammlungen erleichtern sollen. Wir zeigen nachfolgend auf, welche Ausnahmevorschriften den Gesellschaften nun vorübergehend zur Verfügung stehen.
1. Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) und Europäische Aktiengesellschaften (SE)
a. Einladung zur Hauptversammlung
§ 1 Abs. 3 COVID-19-Gesetz gestattet dem Vorstand, mit Zustimmung des Aufsichtsrats die Einladungsfrist für eine Hauptversammlung von 30 auf 21 Tage zu verkürzen. Macht der Vorstand von dieser Möglichkeit Gebrauch, reduzieren sich auch die weiteren Fristen, die es im Rahmen der Einladung einer Hauptversammlung zu beachten gilt. Damit soll der Verwaltung eine größere Flexibilität bei der Einberufung von Hauptversammlungen eingeräumt werden.
b. Durchführung von Hauptversammlungen
Zwar sieht das Aktiengesetz in § 118 Abs. 1 S. 2 bereits die Möglichkeit vor, dass Aktionäre mit Hilfe von elektronischen Kommunikationsmitteln an einer Hauptversammlung teilnehmen. Von dieser Möglichkeit kann eine Gesellschaft jedoch nur Gebrauch machen, wenn eine entsprechende Regelung in der Satzung enthalten ist. Dieser Satzungsvorbehalt wird von § 1 Abs. 1 COVID-19-Gesetz nun vorübergehend suspendiert, indem dem Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats auch ohne entsprechende Satzungsregelung gestattet wird, die elektronische Teilnahme an einer Hauptversammlung, die Stimmabgabe im Wege der elektronischen Kommunikation sowie die Teilnahme von Aufsichtsratsmitgliedern und die Übertragung der Hauptversammlung in Bild und Ton vorzusehen. Damit stehen die vorgenannten Möglichkeiten auch solchen Gesellschaften offen, die bislang über eine entsprechende Satzungsermächtigung nicht verfügten. Allerdings bleibt zu beachten, dass in den genannten Fällen nach wie vor eine Versammlung abgehalten werden muss, an der die Aktionäre natürlich auch physisch teilnehmen können.
Nicht zuletzt aus diesem Grund geht die Regelung in § 1 Abs. 2 COVID-19-Gesetz noch weiter. Danach kann der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats sogar entscheiden, eine Hauptversammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre oder ihrer Vertreter als rein virtuelle Hauptversammlung abzuhalten, sofern
• die Bild- und Tonübertragung der gesamten Versammlung erfolgt,
• die Stimmrechtsausübung der Aktionäre über elektronische Kommunikation oder Vollmachtserteilung möglich ist,
• den Aktionären eine Fragemöglichkeit im Wege der elektronischen Kommunikation eingeräumt wird und
• den Aktionären, die ihr Stimmrecht ausgeübt haben, eine Möglichkeit zum Widerspruch gegen Beschlüsse der Hauptversammlung eingeräumt wird.
Damit wird erstmals die Möglichkeit einer rein virtuellen Hauptversammlung geschaffen. In Anbetracht der momentan weitgehend bestehenden Kontaktsperre dürfte allein diese virtuelle Hauptversammlung in der Praxis durchführbar sein, da eine Gesellschaft regelmäßig nicht vorhersehen kann, wie viele Aktionäre – auch in Zeiten der Corona-Krise – tatsächlich von der Möglichkeit einer elektronischen Teilnahme Gebrauch machen, wenn ihnen gleichzeitig auch die physische Teilnahme offensteht.
Aus Sicht der Aktionäre nachteilig ist hingegen, dass den Aktionären im Rahmen einer virtuellen Hauptversammlung lediglich eine Fragemöglichkeit eingeräumt werden muss, der Vorstand aber nach pflichtgemäßem Ermessen frei entscheiden kann, welche Fragen er wie beantwortet. Zudem kann der Vorstand auch verlangen, dass Fragen bis spätestens 2 Tage vor der Hauptversammlung im Wege der elektronischen Kommunikation einzureichen sind. Wie aus der Gesetzesbegründung unmissverständlich hervorgeht, ist der Vorstand – entgegen dem bislang geltenden Aktienrecht – nicht zur Beantwortung von Fragen verpflichtet, sondern er kann selbst auswählen, welche Fragen er beantwortet; hierzu gehört auch das Recht, Fragen zusammenzufassen oder schlicht zu ignorieren. Dies ist ein weitgehender Eingriff in die bisher bestehenden Aktionärsrechte. Der Hintergrund dieser Einschränkung von Aktionärsrechten erschließt sich auch nach Lektüre der Gesetzesbegründung nicht. Zwar dauern auch regulär abgehaltene Hauptversammlungen aufgrund einer Vielzahl von Wortbeiträgen und Fragen von Aktionären oftmals viele Stunden. Es ist aber nicht ersichtlich, warum dies bei einer virtuell abgehaltenen Hauptversammlung zwingend anders ablaufen muss. Ferner hat der Versammlungsleiter mit der Begrenzung der Redezeit und der Schließung der Rednerliste ausreichend Möglichkeiten, die er bei einer virtuellen Hauptversammlung ebenso einsetzen kann wie bei einer Präsenzversammlung, um die zeitliche Dauer im Rahmen zu halten. In diesem Punkt stellt das COVID-19-Gesetz damit eine erhebliche Beeinträchtigung von Aktionärsrechten da.
Angesichts der technischen Herausforderungen, die § 1 Abs. 2 COVID-19-Gesetz an die rechtmäßige Abhaltung einer rein virtuellen Hauptversammlung aufstellt, wird sich in der Praxis noch zeigen müssen, wie hoch die Kosten für die Durchführung einer rein virtuellen Hauptversammlung sein werden. Es steht aber zu erwarten, dass nur große Gesellschaften finanziell und organisatorisch in der Lage sein werden, tatsächlich eine virtuelle Hauptversammlung abzuhalten. Kleinere Aktiengesellschaften werden von dieser Möglichkeit allenfalls Gebrauch machen können, wenn sie über einen sehr kleinen und überschaubaren Aktionärskreis verfügen.
c. Aussetzung der 8-Monats-Frist
Schließlich ist es dem Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats gestattet, die in § 175 Abs. 1 S. 2 AktG statuierte Frist, nach der die Hauptversammlung innerhalb der ersten 8 Monate eines Geschäftsjahres stattfinden soll, zu ignorieren. Es genügt vielmehr, wenn die Hauptversammlung im Laufe des Geschäftsjahres stattfindet.
d. Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen
Um den Gesellschaften den Gebrauch von den vorgenannten Ausnahmeregelungen auch rechtsicher zu ermöglichen, sieht der Gesetzgeber ferner vor, dass eine Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen aufgrund der Sonderregelungen nach dem COVID-19-Gesetz nicht statthaft ist, es sei denn, die Gesellschaft hat bei der Rechtsverletzung vorsätzlich gehandelt, was in der Praxis für die Aktionäre nur in krassen Ausnahmefällen nachweisbar sein dürfte.
e. Abschlagszahlung auf den Bilanzgewinn
Schließlich räumt der Gesetzgeber dem Vorstand, mit Zustimmung des Aufsichtsrats, die Möglichkeit ein, auch ohne die an sich erforderliche Satzungsermächtigung einen Abschlag auf den Bilanzgewinn an die Aktionäre zu zahlen. Hierdurch soll den Gesellschaften die Möglichkeit gegeben werden, ihren Aktionären auch für den Fall einen ersten Abschlag auf die Dividende zu zahlen, wenn die Hauptversammlung durch die Corona-Krise verschoben werden musste. Allerdings werden sich Vorstand und Aufsichtsrat in der aktuellen Situation gut überlegen müssen, ob und in welcher Höhe sie ihren Aktionären eine Abschlagszahlung auf den Bilanzgewinn tatsächlich zukommen lassen wollen. Die allermeisten Gesellschaften werden sich in der momentanen Krise ganz erheblichen wirtschaftlichen Problemen ausgesetzt sehen, die die Auszahlung eines Bilanzgewinns, und sei es nur im Wege einer Abschlagszahlung, nur in Ausnahmefällen als wirtschaftlich vertretbare Entscheidung erscheinen lässt.
Die gleiche Problematik stellt sich auch bei der Einladung zu einer ordentlichen Hauptversammlung, deren Tagesordnung den Beschluss über die Verwendung des Bilanzgewinns beinhaltet. Auch hier muss die Verwaltung nach § 124 Abs. 3 AktG einen Beschlussvorschlag unterbreiten. Ist die Einladung zur Hauptversammlung einmal veröffentlicht, kann eine Änderung des (ebenfalls veröffentlichten) Beschlussvorschlags durch die Verwaltung nicht mehr erfolgen, da andernfalls ein Verstoß gegen § 124 Abs. 3 AktG vorliegen würde.
Will die Verwaltung ihren bereits bekanntgemachten Beschlussvorschlag ändern, muss sie dies unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 124 Abs. 3 AktG tun und letztlich nochmals form- und fristgerecht eine Hauptversammlung einberufen. Den Aktionären bleibt es natürlich unbenommen, im Rahmen der Hauptversammlung selbst abweichende Vorschläge zur Verwendung des Bilanzgewinns zu unterbreiten.
Vor diesem Hintergrund sind Vorstand und Aufsichtsrat gut beraten, vor einer Entscheidung über die Zahlung eines Bilanzgewinn-Abschlags oder der Unterbreitung eines Beschlussvorschlags zur Verwendung des Bilanzgewinns sehr genau etwaige Haftungsrisiken für sich selbst zu prüfen.
2. Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
Im Gegensatz zu den Regelungen für Aktiengesellschaften ist die Ausnahmeregelung für GmbHs denkbar knapp gehalten. § 3 COVID-19-Gesetz sieht für die Übergangsphase lediglich vor, dass Gesellschafterbeschlüsse auch ohne Zustimmung sämtlicher Gesellschafter in Textform oder durch schriftliche Stimmabgabe gefasst werden können.
Diese Möglichkeit erleichtert zwar die Beschlussfassung zu einzelnen, ganz bestimmten Tagesordnungspunkten, erlaubt es im Gegensatz zu Aktiengesellschaften aber nicht, eine virtuelle Gesellschafterversammlung per Telefon- oder Videokonferenz durchzuführen. Dies hat für GmbHs erhebliche Nachteile, da durch eine schriftliche oder in Textform abgegebene Stimmabgabe lediglich die Stimmen der Gesellschafter eingeholt werden können, jedoch keine Diskussion zwischen den Gesellschaftern über bestimmte Maßnahmen, z.B. der Kapitalstärkung, geführt werden können. Auch ist unklar, wie solche Gesellschafterbeschlüsse gefasst werden sollen, die einer notariellen Beurkundung bedürfen. Insbesondere die Beschlussfassung über eine Kapitalerhöhung wird auf diese Weise kaum gelingen können, da jedenfalls die Übernahmeerklärungen derjenigen Gesellschafter, die im Rahmen der Kapitalerhöhung neue Geschäftsanteile übernehmen, notariell beurkundet werden müssen. Eine rein schriftliche oder in Textform abgegebene Stimme reicht hierfür nicht aus.
Die Sonderregelung für die Durchführungen von Gesellschafterversammlung einer GmbH sind daher keine große Erleichterung. Sie hilft lediglich bei einem überschaubaren Gesellschafterkreis weiter, bei dem lediglich einzelne Gesellschafter nicht handlungsfähig sind, im Übrigen aber großes Einvernehmen über die zu treffenden Maßnahmen besteht.
3. Vereine und Stiftungen
Bei Vereinen und Stiftungen besteht die Besonderheit, dass die Vorstandsmitglieder regelmäßig nur für eine bestimmte Amtsdauer bestellt und sodann von der Mitgliederversammlung bzw. dem Kuratorium neu zu wählen sind. Um hier die Handlungsfähigkeit der Vereine und Stiftungen aufrechtzuerhalten, sieht § 5 Abs. 1 COVID-19-Gesetz vor, dass die Vorstandsmitglieder trotz des Ablaufs ihrer Amtszeit im Jahr 2020 zunächst im Amt bleiben, bis sie entweder abberufen werden oder ein Nachfolger bestellt wurde.
Für Vereine enthält § 5 COVID-19-Gesetz zudem weitere Ausnahmeregelungen. So kann nach § 5 Abs. 2 COVID-19-Gesetz auch ohne entsprechende Ermächtigung in der Satzung den Vereinsmitgliedern die Teilnahme an einer Mitgliederversammlung und die Ausübung ihrer Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation erlaubt werden. Ferner ist die schriftliche Stimmabgabe bereits vor der Durchführung der Mitgliederversammlung (Briefwahl) zulässig. Diese Ausnahmeregelungen entbinden Vereinsmitglieder damit von einer physischen Teilnahme an der Mitgliederversammlung.
Ferner gewährt § 5 Abs. 3 COVID-19-Gesetz dem Verein auch die weitergehende Möglichkeit, Beschlüsse ohne Anwesenheit von Mitgliedern zu fassen. So erlaubt der Gesetzgeber hier auch ohne eine entsprechende Satzungsregelung eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren, wenn
• alle Mitglieder an der Beschlussfassung beteiligt wurden,
• bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform abgegeben haben und
• der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde.
Diese Möglichkeit zur Beschlussfassung im Umlaufverfahren wird in der Praxis nur in wenigen Ausnahmefällen erfolgreich angewendet werden können. Erfahrungsgemäß nimmt nur ein sehr geringer Teil der Mitglieder tatsächlich an physischen Mitgliederversammlungen teil. Es steht daher zu erwarten, dass die Teilnahmequote bei einer Beschlussfassung im Umlaufverfahren, insbesondere wenn die Stimmabgabe in Textform erfolgen kann, zwar deutlich höher sein wird. Dennoch ist die Hürde, wonach die Hälfte der Mitglieder an der Beschlussfassung aktiv teilnehmen soll, in vielen Fällen nicht erreichbar. Zudem erlaubt die Beschlussfassung im Umlaufverfahren keine Diskussion innerhalb der Mitgliederversammlung über die zur Entscheidung anstehenden Tagesordnungspunkte.
4. Erleichterung von Umwandlungen
Schließlich sieht § 4 COVID-19-Gesetz vor, dass die in § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG vorgesehene Frist, wonach Verschmelzungen und Spaltungen nur auf eine Bilanz des übertragenden Rechtsträgers gestützt werden können, die nicht älter als 8 Monate ist, auf 12 Monate verlängert wird. Die gerade bei Verschmelzungen und Spaltungen oftmals gefürchtete 8-Monats-Frist zur Anmeldung der Umwandlungsmaßnahmen beim zuständigen Handelsregister verlängert sich nun also um 4 Monate, was den Gestaltungsspielraum für Verschmelzungen und Spaltungen erheblich erweitert.
5. Zeitliche Geltung
Die vorgenannten Sonderregelungen für Aktiengesellschaften, GmbHs und Vereine gelten grundsätzlich für alle Gesellschafter- und Hauptversammlungen, die im Jahr 2020 stattfinden. Gleiches gilt für Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn, die im Jahr 2020 erfolgen. Die Ausnahmeregelung für auslaufende Amtszeiten von Vorstandsmitglieder von Vereinen und Stiftungen gelten für solche Amtszeiten, die im Laufe des Jahres 2020 auslaufen.
Ihr Ansprechpartner:
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Dr. Timo Alte
Tel.: +49 (0)711/22744-14
ta@haver-mailaender.de
www.haver-mailaender.de
Download: CORONA-TASK-FORCE NEWS 6_D
Betriebsausfallschaden wegen COVID-19: Versicherungsschutz oder Entschädigung nach Infektionsschutzgesetz (IfSG)?
In den letzten Wochen haben alle Bundesländer Verordnungen auf Grundlage des IfSG erlassen, um Veranstaltungen und Versammlungen weitestgehend zu untersagen und Einrichtungen zu schließen. So hat etwa die Landesregierung Baden-Württemberg in § 3 der Corona-Verordnung Versammlungs- und Veranstaltungsverbote erlassen und in § 4 den Betrieb näher bezeichneter Einrichtungen untersagt. Bspw. ist der Betrieb von Kultur- oder Bildungseinrichtungen, Kinos, Schwimmbädern, Sporteinrichtungen und Gaststätten in gewissem Umfang und inzwischen auch Beherbergungsbetrieben zu privaten Zwecken untersagt worden.
Betriebe, die von solchen Untersagungen betroffen sind, und ihr Geschäft derzeit ganz oder teilweise schließen mussten, stellen die Frage, ob der Betriebsausfallschaden von einer der üblicherweise für Betriebe abgeschlossenen Versicherungen abgedeckt ist. Versicherungen und Versicherungsmakler haben kürzlich zahlreiche Informationspapiere herausgegeben und im Internet veröffentlicht. Danach existieren kaum Versicherungen, die einen Schutz gegen die derzeit verordneten Betriebsschließungen bieten. Es stellt sich die Frage, ob diese Informationen voll zutreffen.
Zudem stellt sich für Betriebe die Frage, ob gegen das Land, das die Untersagung auf Grundlage des IfSG verfügt hat, Entschädigungsansprüche nach dem IfSG zustehen. Auch zu dieser Frage kursieren in den Medien widersprüchliche Aussagen.
Versicherungsschutz durch Betriebsunterbrechungsversicherungen oder Betriebsschließungs-versicherungen?
Neben ggf. bestehenden speziellen Ausfallversicherungen sind zwei Versicherungsarten bei der Corona-Krise besonders in den Blickpunkt geraten: Betriebsunterbrechungsversicherungen und Betriebsschließungsversicherungen.
Betriebsunterbrechungsversicherungen gelten im Rahmen von Sach- und Ertragsausfallversicherungen. Diese Versicherungen bieten Versicherungsschutz, wenn wegen Beschädigung oder Zerstörung aufgrund einer versicherten Gefahr ein Ertragsausfall bei einer Betriebsunterbrechung erfolgt. Die Schließung durch öffentliche Verordnungen stellt dann aber im Ausgangspunkt keine Beschädigung oder Zerstörung der versicherten Sache dar und das Corona Virus müsste eine versicherte Gefahr darstellen. Als Reaktion auf Schadensmeldungen haben deshalb Versicherer eine Deckungszusage in einigen Fällen schon dem Grunde nach abgelehnt. Allerdings ist die Lage derzeit noch ungeklärt und der Versicherungsschutz von Vertrag zu Vertrag unterschiedlich. Deshalb kann es derzeit angezeigt sein, vorsichtshalber eine Schadensanzeige bei einer Betriebsunterbrechungsversicherung vorzunehmen, um jedenfalls nicht dem Einwand der verspäteten Schadensanzeige ausgesetzt zu sein.
Gute Aussichten bestehen für einen Versicherungsschutz im Rahmen von Betriebsschließungsversicherungen. Diese versichern das Risiko, dass Betriebe aufgrund behördlicher Anordnungen auf Grundlage des IfSG schließen müssen. Zu beachten ist, dass das Corona-Virus regelmäßig in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen von Betriebsschließungsversicherungen noch nicht als versicherte Krankheit genannt ist. Allerdings beziehen sich die Allgemeinen Versicherungsbedingungen solcher Versicherungen üblicherweise auf die in den §§ 6, 7 IfSG genannten Krankheitserreger und diese sind durch die Corona Virus Meldeverordnung vom 30.01.2020 um das Corona Virus ergänzt worden. Deshalb ist davon auszugehen, dass das Corona Virus ein versicherter Krankheitserreger bei Betriebsschließungsversicherungen ist. In der Praxis kann die Erfahrung gemacht werden, dass jedenfalls Versicherungsmakler Schadensanzeigen als voraussichtlich begründet entgegennehmen und an Versicherer weiterleiten. Eine Entscheidungspraxis der Versicherer dürfe sich in den nächsten Wochen ergeben. Betriebe, die durch eine Betriebsschließungsversicherung geschützt sind und ganz oder teilweise den Betrieb einstellen mussten, sind derzeit dringend aufgerufen, umgehend eine Schadensmeldung abzugeben.
Üblicherweise setzen Allgemeine Versicherungsbedingungen für Betriebsschließungen für den Versicherungsschutz voraus, dass der versicherte Betrieb durch die zuständige Behörde geschlossen wird. Derzeit werden aber regelmäßig keine speziell auf einzelne Betriebe ausgerichtete Schließungsverfügungen erlassen, sondern Allgemeinverfügungen und allgemeine Verordnungen. Außerdem können Ausnahmen in den Verordnungen zugelassen sein, die keine ausnahmslose Betriebsschließung verfügen, sondern ein Restgeschäft des Betriebs zulassen. Auch wenn ein erlaubtes Restgeschäft für einen Betrieb verbleibt, sollte eine Schadensmeldung erfolgen.
Bestehen Entschädigungsansprüche nach §§ 56, 65 IfSG?
Wenn Landesregierungen und Behörden gestützt auf das IfSG Betriebsschließungen und Tätigkeitsverbote anordnen, stellt sich die Frage, ob Entschädigungsansprüche nach dem IfSG bestehen. Insbesondere Versicherungen weisen derzeit bei Schadensmeldungen darauf hin, dass für Versicherungsnehmer die Obliegenheit besteht, Entschädigungsansprüche nach dem IfSG geltend zu machen. Umgekehrt kursieren Informationen, dass bei Schließung ganzer Betriebe nach dem IfSG keine Entschädigungsansprüche bestünden.
Rechtsgrundlage für Entschädigungsansprüche ist § 56 IfSG. Er gewährt Entschädigung für Personen, denen die Ausübung ihrer Tätigkeit verboten wird und die dadurch einen Verdienstausfall erleiden. Entschädigungen für ganze Betriebe, die zu schließen sind, kommen nach dem Wortlaut der auf einzelne Personen und nicht Betriebe als solche abstellenden Regelung überhaupt nur in Betracht, wenn es der Betreiber ist, der als „Ansteckungsverdächtiger“ oder jedenfalls als „Person“, „die Krankheitserreger so in oder an sich trägt, dass im Einzelfall die Gefahr einer Weiterverbreitung besteht“, einem konkreten Erwerbsausübungsverbot unterworfen wird. Dies ist aber bei den aktuellen Verordnungen und Allgemeinverfügungen nicht der Fall. Adressaten der Erwerbsausübungsverbote sind nicht einzelne Betreiber oder deren Angestellte, sondern Gruppen von Betrieben und Einrichtungen, ohne dass die Untersagungen danach unterscheiden, ob einzelne in dem Betrieb Tätige „Ansteckungsverdächtige“ sind oder jedenfalls eine „Person“, „die Krankheitserreger so in oder an sich trägt, dass im Einzelfall die Gefahr einer Weiterverbreitung besteht“. Danach ist jedenfalls nach dem Wortlaut des § 56 IfSG ein Entschädigungsanspruch für Betriebe nicht gegeben. Wenn aber etwa Versicherungen die Anmeldung von Entschädigungsansprüchen als Obliegenheit fordern, sollte dem vom Versicherungsnehmer – wenn auch möglicherweise (derzeit) ohne Erfolgsaussicht – nachgekommen werden.
Auch der Entschädigungsanspruch des § 65 IfSG passt nicht auf die derzeit geltenden Landesverordnungen und Allgemeinverfügungen. § 65 IfSG gewährt einen Entschädigungsanspruch, wenn auf Grund einer Maßnahme nach den §§ 16 und 17 IfSG Gegenstände vernichtet, beschädigt oder in sonstiger Weise in ihrem Wert gemindert werden oder ein anderer nicht nur unwesentlicher Vermögensnachteil verursacht wird. Die derzeit geltenden Landesverordnungen und Allgemeinverfügungen werden aber auf die §§ 28, 32 IfSG gestützt. Bei den Maßnahmen nach § 16 IfSG kann die zuständige Behörde Untersuchungsmaßnahmen durchführen, wenn Tatsachen festgestellt werden, die zu Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können. Die Versammlungsverbote etc. sind aber keine Untersuchungs- sondern Bekämpfungsmaßnahmen. Nach § 17 IfSG können Gegenstände, die mit meldepflichtigen Krankheitserregern behaftet sind, vernichtet werden. Auch solche Maßnahmen stehen derzeit nicht in Rede. Auch nach dem Wortlaut des § 65 IfSG ist ein Entschädigungsanspruch für Betriebe nicht gegeben.
Durch das Gesetz zur Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite wird ein neuer Absatz (1a) befristet bis zum 31.03.2021 in § 56 IfSG eingefügt, der Sorgeberechtigten (Eltern) schulpflichtiger Kinder unter 12 Jahren oder sonst betreuungsbedürftiger Kinder einen Entschädigungsanspruch bei Schließung von Schulen oder sonstiger Betreuungseinrichtungen für Kinder zuspricht, wenn sie wegen der Betreuung des Kindes nicht arbeiten können und einen Erwerbsverlust erleiden. Dieses Beispiel zeigt, dass der Entschädigungsanspruch im Blickpunkt der Bundesregierung ist. Weitere Entwicklungen hinsichtlich des Entschädigungsanspruchs sind deshalb zu beobachten.
Wie ist derzeit zu handeln?
Die aktuelle Corona-Epidemie und die auf das IfSG gestützten Veranstaltungsverbote und Betriebsschließungen werfen bisher nicht dagewesene Fragen hinsichtlich des Versicherungsschutzes und der Entschädigungen auf. Einfache Antworten gibt es bisher nicht. Eine professionelle Begleitung in der Frage des Versicherungsschutzes und/oder des Bestehens bzw. Nichtbestehens von Entschädigungs-ansprüchen und der Kommunikation gegenüber dem Versicherer bieten wir Ihnen gerne an.
Ihre Ansprechpartner:
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Vergaberecht
Dr. Alexander Hübner
Tel.: +49 (0)711/22744-35
ah@haver-mailaender.de
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht
Dr. Christian Aufdermauer
Tel.: +49 (0)711/22744-13
ca@haver-mailaender.de
Stuttgart & Region gegen Corona #gemeinsamstark